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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich
Autoren: Charlie Higson
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hatte. Randolph Hellebore konnte sie verbergen und doch hatte James schon einmal einen Schimmer maßlosen Zorns in ihm aufblitzen sehen. James fragte sich, was passieren musste, damit dieses verzehrende Feuer zum Ausbruch kam.
    »Nehmen Sie Ihren Platz ein, mein Junge«, sagte Hellebore.
    Erleichtert eilte James zu den anderen Teilnehmern und stellte sich neben Carlton.
    »Hast du schon die Neuigkeiten gehört?«, fragte der ihn sofort.
    »Welche Neuigkeiten?«, erwiderte James und holte tief Luft, um Hellebores Geruch loszuwerden.
    »Während der Mittagspause sind bei den Streckenposten einige Veränderungen vorgenommen worden.«
    Diese Posten waren Schüler, die an strategischen Stellen entlang der Rennstrecke verteilt waren, um ein Auge auf die Läufer zu haben. Ihre Aufgabe bestand darin, sicherzustellen, dass niemand sich verlief oder von dem vorgegebenen Streckenverlauf abwich.
    »Was für Veränderungen?«, fragte James.
    »Einige der Streckenposten wurden durch Hellebores Freunde ersetzt.«
    »Ist das wahr?« Einen Moment lang kreisten James’ Gedanken einmal nicht nur um den bevorstehenden Lauf; stattdessen überlegte er, was diese Nachricht zu bedeuten hatte. »Wie viele denn?«
    »Na, es sind schon einige«, sagte Carlton. »Unter anderem natürlich Sedgepole, Wallace und Pruitt.«
    »Das gefällt mir nicht«, sagte James. »Andererseits würde Hellebore es doch gewiss nicht wagen, zu betrügen?«
    »Darauf würde ich nicht wetten«, sagte Carlton. »Er fürchtet sich mehr vor seinem Vater als vor irgendetwas sonst. Stell dir mal vor, er verliert …«
    James betrachtete die große Gestalt von Lord Randolph Hellebore und dachte an den irren Ausdruck seiner Augen. Dann fiel ihm sein eigener Vater ein: ein ruhiger, ernsthafter und zurückhaltender Mann. Als er noch jünger war, hatte James sich manchmal ein wenig vor ihm gefürchtet, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie es sein musste, einen Vater wie Randolph Hellebore zu haben.
    Mr Merriot schlenderte von Junge zu Junge und sprach allen Mut zu. Schließlich kam er auch zu James.
    »Bereit, Bond?«
    »Ja, Sir. So bereit ich eben sein kann.«
    »Geben Sie einfach Ihr Bestes …« Merriot lächelte. »Viel Glück. Und denken Sie daran, Ihre Kraft einzuteilen. Es ist ein langes Rennen.«
    »Ich weiß, Sir.«
    »Ich weiß, dass Sie das wissen«, sagte Merriot und ging weiter, um mit anderen Schülern zu plaudern.
    Es war das erste Mal, dass ein solches Querfeldeinrennen im Windsor Great Park veranstaltet wurde. Eine große Zahl lautstarker Zuschauer hatte sich entlang der Strecke postiert und wartete darauf, die Läufer anzufeuern. Aber James wusste genau: Wenn das Rennen erst einmal lief, würde er nichts mehr davon wahrnehmen. Der Lauf erstreckte sich über fünf Meilen, begann und endete auf offenem Feld und führte im eigentlichen Teil des Rennens auf und ab durch bewaldetes Hügelgelände.
    Lord Hellebore ließ es sich nicht nehmen, höchstpersönlich den Startschuss zu geben. Und wieder konnte er es sich nicht verkneifen, vorher ein paar Worte zu sprechen.
    »Sport macht aus einem Jungen einen Mann. Er bereitet ihn auf das Leben vor. Deshalb lauft jetzt los, lauft so schnell und so ausdauernd ihr könnt. Und wenn ihr glaubt, dass eure Füße euch nicht mehr länger tragen, dann sagt zu euch selbst: Ich schaffe es, ich laufe weiter, ich will gewinnen – auch wenn es am Ende natürlich nur einen einzigen Sieger geben kann.«
    James war sich nicht sicher, ob auch die anderen es bemerkt hatten, aber als Lord Hellebore dies sagte, blickte er für einen kurzen Moment zu seinem Sohn hin, dessen Lippen sich zu einem listigen Grinsen verzogen.
    »Und jetzt nehmen Sie Ihre Plätze ein«, rief Lord Hellebore mit dröhnender Stimme. Stille breitete sich unter den in einem Pulk beieinander stehenden Teilnehmern aus.
    »Auf die Plätze … fertig …«
    Peng!
    Er feuerte die Startpistole ab und die Teilnehmer rannten in einem ungeordneten Haufen los, wobei jeder die beste Position zu ergattern versuchte. Die Zuschauer schrien und pfiffen, doch recht bald ließen die Läufer den Lärm hinter sich.
    James hielt sich zurück und reihte sich ganz außen ein, wo am meisten Platz war. Es war ein langes Rennen, er hatte diese Distanz oft geübt und wusste, dass er nicht vorzeitig ermüden durfte. Training war allerdings das eine – der Wettkampf etwas ganz anderes. In einem echten Rennen gab es viele Unwägbarkeiten: flatternde Nerven, die
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