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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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bin mit einem Freund, den ich im Zug getroffen habe, verabredet.«
    Ein Anflug von Enttäuschung huschte über das Gesicht seines Onkels, doch gleich darauf war es vorbei.
    »Natürlich«, sagte Max und zwang sich zu einem Lächeln. »Du bist ein Junge und willst dich nicht andauernd mit einem alten Kerl wie mir abgeben. Außerdem hast du mir gestern einiges abverlangt. Ein Ruhetag wird mir gut tun.«
    James fühlte sich miserabel, weil er seinen Onkel im Stich ließ, aber Max wollte davon nichts wissen. Mit fröhlicher Miene stand er auf und räumte das Geschirr weg.
    »Ach übrigens, das ist May«, sagte er und legte den Arm um die Haushälterin. »Ein echter Schatz. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie täte.«
    May nickte nur kurz.
    »Hallo«, sagte James und stellte sich vor.
    »Nett, dich kennen zu lernen«, erwiderte May und fuhr mit ihrer Arbeit fort. In den folgenden Tagen kam James dahinter, dass May gar nicht so missmutig und brummig war, wie es den Anschein hatte, sondern lediglich scheu. Sie mochte kein unnötiges Geplauder und war Fremden gegenüber sehr zurückhaltend, aber wenn man sie erst einmal näher kannte, erwies sie sich als warmherziger Mensch und man merkte, wie sehr sie Max vergötterte.
    James schlang das Frühstück hinunter, und um zehn Uhr stand er bereits vor dem Pub in Keithly und wartete auf Red Kelly. Laut pfeifend und die Hände in die Hosentaschen vergraben, kam dieser schließlich die Straße entlanggeschlendert. Die Mütze hatte er in den Nacken zurückgeschoben.
    »He, alter Knabe!«, rief er, als er James sah. »Alles klar?«
    »Ich denke schon«, sagte James und hielt einen Rucksack hoch, in dem sich das Mittagessen, eine Landkarte und ein Kompass befanden, den sein Onkel ihm mitgegeben hatte. Kelly hatte ebenfalls Proviant dabei, in einer kleinen braunen Papiertüte, aber abgesehen davon machte er nicht den Eindruck, als sei er gut gerüstet für einen langen Marsch durchs Moor. Er trug ein dünnes, kragenloses Hemd, eine abgewetzte schwarze Hose, die von Hosenträgern gehalten wurde, und unförmige, schwere Stadtschuhe.
    »Okay, und in welche Richtung gehen wir?«, wollte Kelly wissen. Er zog die Nase hoch und sah sich fragend in alle Richtungen um.
    »Ich hab das hier dabei«, sagte James und holte die Landkarte hervor.
    »Zeig her«, sagte Kelly. James faltete die Karte auseinander und breitete sie auf einer niedrigen Steinmauer aus.
    »Verflucht noch mal«, sagte Kelly und kniff die Augen zusammen. »Da kommt man ins Grübeln, was? Auf einer Karte von London gibt es nichts als Straßen und Häuser.« Sein schmutziger Finger stieß wie ein Raubvogel auf den Faltplan herab. »Und hier? Leere, absolute Leere.«
    Tatsächlich markierten nur ganz wenige dünne Linien die Landstraßen, ansonsten bestand die Karte aus Hügeln, Wäldern, Flüssen und weiten, leeren Flächen.
    »Wir befinden uns hier«, erklärte James und zeigte auf ein paar kleine Häusersymbole, die Keithly darstellten. »Und das ist die Straße zum Schloss.« Er folgte mit dem Finger der eingezeichneten Linie, die in vielen Windungen nach Norden führte.
    »Nicht gerade der direkte Weg, was?«, sagte Kelly.
    »Nein, denn es handelt sich um Sumpfgebiet. Siehst du die kleinen Symbole, die aussehen wie Grasbüschel? Und natürlich verbindet die Straße sämtliche Häuser und Farmen in der Umgebung. Bei dieser Brücke hier überquert sie den Fluss …«
    »Ah ja, das ist ein Fluss, nicht wahr?«, sagte Kelly und starrte weiter auf die Karte.
    »Ja. Der An Abhainn Dubh . Das heißt der Schwarze Fluss. Er fließt am Haus meines Onkels vorbei. Max hat mir gesagt, dass der Torf vom Moor in den Fluss sickert und das Wasser dunkelbraun färbt.«
    »Das dauert ja eine Ewigkeit, wenn wir uns an diesen Weg halten«, beschwerte sich Kelly.
    »Das werden wir auch nicht«, beruhigte ihn James. »Wir gehen querfeldein, das ist viel kürzer. Allerdings müssen wir aufpassen, die Sümpfe können gefährlich sein. Das gilt vor allem für die Gegend bei Am Boglach Dubh . Das heißt so viel wie der Schwarze Sumpf. Ich denke, es ist am besten, an dieser Furt den Fluss zu überqueren und dann durch das Tal bis zur alten Klosterruine zu gehen.« James deutete auf eine Stelle, wo das Symbol für Sehenswürdigkeiten abgebildet war. »Ab da schlagen wir einen Bogen um das Moor und nehmen den Weg über die Hügel, wo der Boden trockener ist. Es dürfte nicht allzu schwer sein, den Pass von Am Bealach Geal zu erreichen. Von dort aus gelangt

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