Stiller Tod: Thriller (German Edition)
Möglichkeit, das Leben von Dawn und ihrer Tochter zu verändern. Die letzten Tage waren für ihn beherrscht von Tod und Zerstörung, doch jetzt kann er etwas Gutes tun. Er weiß, dass es ein aberwitziger Versuch ist, etwas wiedergutzumachen, die karmische Bilanz zu frisieren, was natürlich lachhaft ist.
Doch so sei es.
Der Tag ist fast zu Ende, die Sonne hängt tief über dem unruhigen Ozean, Schatten strecken sich schwarz und schwer über den Strand. Bald wird es dunkel sein, und diese Bar, Lips, wird öffnen.
Exley duscht, das heiße Wasser schmerzhaft auf der sonnenverbrannten Haut. Er trocknet sich ab und cremt Arme und Gesicht mit Aloe-vera-Gel ein, um das Brennen zu lindern. Dann zieht er eine dunkle Jeans und ein schwarzes T-Shirt an, hofft, darin möglichst unauffällig auszusehen.
Er setzt den Audi aus der Garage, gibt die Adresse von dem Streichholzbriefchen ins Navi ein und lässt sich von der oberlehrerhaften englischen Stimme – er hat sie »Caroline« genannt, als er sie das erste Mal hörte – zur Voortrekker Road lotsen, einer langen, flachen Straße, die der Stadt ihre Träume aussaugt, um sie in einem endlosen Schlier aus Stundenhotels, Begleitagenturen und Stripbars einzuschließen.
KAPITEL 50
Dawn steht mitten auf der Voortrekker Road, balanciert auf dem weißen Mittelstreifen wie eine Seiltänzerin, wird vom Wind des vorbeirauschenden Verkehrs durchgeschüttelt.
Sie hat schon viele tödliche Unfälle mit Fußgängern gesehen, genau hier auf diesem Abschnitt. Von Busrädern überrollt, die Innereien auf den Asphalt gequetscht. Oder von wild gewordenen Sammeltaxis erfasst und durch die Luft geschleudert, Köpfe, die wie Wassermelonen zerplatzten, wenn sie auf die Bordsteinkante aufschlugen.
Daher muss sie wohl insgeheim darum beten, dass so ein Schicksal auch sie ereilen wird, als sie jetzt Richtung Lips rennt und ein Pkw und ein Kleinbus auf sie zurasen.
Hupen gellen, und sie hört das schrille Quietschen von Bremsen und riecht Gummi, eine wütende Stimme – »Du irre Schlampe!« – verfolgt sie bis in den Club, aber sie schafft es.
Also kein einfacher Ausweg. Nicht heute Abend.
Sie übersieht die Frau mit dem Schnurrbart, die sie mit einem Blick und einem Schnauben wieder willkommen heißt. Cliffie ist zu cool, um irgendwas zu sagen, mustert sie bloß von der Bar aus, während er ein Glas mit einem Lappen bearbeitet. Der Club ist noch leer, die Deckenbeleuchtung gedimmt, bloß ein einzelner roter Spot streichelt die Rampe, und Dawn lässt sich von den Schatten durch die Vorhänge und hinter die Bühne ziehen.
Der Weg zur Garderobe scheint endlos, vorbei an der blättrigen beigen Farbe, die wie picklige Haut an den Wänden klebt, unter der nackten gelben Glühlampe hindurch, über die rotweinfarbenen Teppichfliesen (einige fehlen, Kornkreise aus altem Leim auf dem grauen Beton darunter), der Korridor ein Trichter, der sie zu der rosa Tür amEnde laufen lässt, eine halb offene Tür, aus der blaugrünes Neonlicht dringt und Tik-Rauch, der sich kringelt wie früher, als sie ein Kind war, wenn der schwarze Eismann kam, die Glocke läutete und den Deckel von der Kiste vorne auf seinem Fahrrad hob und das Trockeneis in diese furchtbaren Sommertage aufstieg, ihr Onkel sie ein Eis am Stiel holen ließ, das ihr den Mund färbte, während er im schattigen Haus stand und sie beobachtete, darauf wartete, im Gegenzug etwas von diesen kalten lila Lippen zu bekommen.
Dawn stößt die Tür ganz auf, und die fette Hässliche Stiefschwester dreht sich zu ihr um und pustet einen Strom Tik-Rauch aus, die Augen wie Risse in dem aufgedunsenen Gesicht, die von Meth gebrandmarkten Lippen über fauligen Zähnen gebleckt. Die Magere hängt schlaff vor dem Spiegel, starrt Dawn in der schmutzigen Scheibe an und sagt: »Ihre Hoheit ist wieder da.«
Die fette Nutte gackert und reicht ihrer Partnerin bei diesem Staffellauf ins Vergessen die Tik-Pfeife, und der Kopf der mageren Schlampe verschwindet in einer Wolke aus giftigem Rauch, die für Dawn in diesem Moment riecht wie das Paradies.
»Lady Di, Lady Di, Laaaaay-diiiii Diiiiiii «, sagt die Fette, steht auf und macht einen kleinen Knicks, wodurch ihre Brüste ins Schwingen geraten und eine von ihren dunklen Zitzen Dawns Arm streift. »Was hören wir da, heute Nacht kriegt die königliche Muschi Besuch?« Sie packt Dawns Schritt durch die Jogginghose.
An jedem anderen Tag hätte Dawn ihr eine reingehauen, aber jetzt lacht sie nur, wie man lacht, wenn
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