Stiller Tod: Thriller (German Edition)
verschwinden, den magischen Rauch einzuatmen, bis in ihr kein Platz mehr bleibt für Angst und Schwermut.
Nein.
Sie verpasst Fidel einen gekonnten kurzen Faustschlag in die Magengegend, woraufhin er erschlafft wie ein Hemd an der Wäscheleine, und dann bewegt sie ihren Arsch über die Straße und weg von der Versuchung.
Aber der Teufel ist nicht fertig mit ihr. Noch nicht.
Ein BMW, ziemlich neu, gondelt gemächlich auf sie zu. Der Fahrer sucht offensichtlich nach einer Frau, obwohl es für die Huren noch zu früh ist. Reflexartig hebt sie die Hand, um ihm den Stinkefinger zu zeigen, doch dann stockt sie und denkt, ach scheiß drauf.
Die Beifahrertür des BMW schwingt auf, und im Licht der Innenbeleuchtung sieht sie, dass der Typ Hemd und Krawatte trägt, vielleicht irgendein Geschäftsmann, der ein paar Drinks intus hat und jetzt den Spaß sucht, den er zu Hause nicht kriegt.
Dawn steigt ein und schließt die Tür. Riecht die Alkoholfahne des Freiers, der fett ist, Mitte vierzig, und so schwer atmet wie ein obszöner Anrufer.
»Wie viel?«, fragt er.
»Blasen, zweihundertfünfzig. Volle Nummer, fünfhundert.«
Wahnsinnspreise für die Straße, und er lacht sie aus. »Hast du sie noch alle?«
Sie packt den Türgriff, will weg.
»Warte«, sagt er. »Ich zahl dir hundert für einmal Blasen.«
»Zweihundertfünfzig.«
Er brummelt irgendwas, aber hinter dem BMW staut sich der Verkehr, und ein Streifenwagen kommt ihnen entgegen. »Okay. Scheiße. Wohin jetzt?«, fragt er und legt den Gang ein.
Sie sagt ihm, er soll die Voortrekker Road hochfahren. Sie will mit ihm zu einem alten Stammplatz von ihr, ein Parkplatz hinter einem Minieinkaufszentrum, der um diese Uhrzeit menschenleer sein wird. Er fummelt dicht an ihrem Knie rum, und sie denkt, er will sie angrapschen, aber er drückt nur den Zigarettenanzünder rein, fischt eine Packung Camel aus der Hemdtasche und zieht mit den Lippen eine Kippe raus. Als der Anzünder rausspringt, steckt er die Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug. Er ist nervös, wie ihr klar wird. Der Mut, den er sich angetrunken hat, verflüchtigt sich allmählich.
Aber auch Dawn macht sich ins Hemd. Sie hat noch nie in ihrem Leben angeschafft, ohne dabei vom Tik total zugeknallt zu sein, so hinüber, dass sie überhaupt nichts spürte. Sie halten an einer Ampel, und sie hört den Atem des Weißen, als er Rauch auspustet, sieht seine bleiche Hand am Lenkrad, den glänzenden Ehering.
Sie schafft das nicht, unmöglich. Jedenfalls nicht, solange sie klar im Kopf ist. Sie stößt die Tür auf und macht sich vom Acker. Als die Tür zufällt, sieht sie das Gesicht des Mannes zu ihr hochstarren, dann schaltet die Ampel auf Grün, und der BMW gleitet im Verkehr davon.
Dawn überquert die Voortrekker Road und springt in ein Minibus-Taxi. Sie atmet schwer, ist nicht mehr an diese Scheiße gewöhnt. Sie sieht die Bars und Schnellimbisse vorbeischlieren, kriegt Kopfschmerzen von der Rapmusik, die im Bus dröhnt, mit Bässen, die ihr die Zahnfüllungen lockern. Das Taxi hält in der Nähe ihrer Wohnung, der Beifahrer reißt die Schiebetür auf, und als sie mit anderen Passagieren aussteigt, schreit er, sie sollten machen, dass sie rauskommen, verdammt nochmal, er hätte nicht die ganze Nacht Zeit.
Der Fahrer, ein langer, schlaksiger Weißer mit Pickeln wie Erdbeeren, lässt den Motor aufheulen, spielt mit Gas und Bremse, bringt den Bus im Takt der Musik zum Schaukeln.
Dawn besorgt noch rasch im Laden Chips und Marshmallows, und dann geht sie hoch und holt Brittany von Mrs. de Pontes ab, bezahlt sie mit dem Rest von den fünfzig, die Costa ihr gegeben hat, obwohl sie das Kind früher abholt.
Sie geht mit Brittany nach Hause und macht für sie beide Kakao und French Toast, und sie essen, bis sie nicht mehr können, und schlafen zusammen auf dem Sofa ein, während sie sich irgendeine alte Schnulze mit Meg Ryan und Tom Hanks ansehen. Dawn fragt sich, ob es solche Männer wirklich irgendwo gibt, und falls ja, warum sie nie auch nur einem von ihnen begegnet ist.
KAPITEL 35
Vernon lässt seinen Civic sicher geparkt zu Hause und klaut in der Nähe der Haltestelle Paradise Park einen alten Toyota Corolla. Er braucht keine zwei Minuten, um die verrostete Dreckskarre kurzzuschließen, muss bloß die Zündkabel rausreißen und dann in der richtigen Reihenfolge miteinander verbinden.
Das Auto ist zugemüllt, leere Bierdosen, Hamburgerverpackungen und Zeitungen liegen im Fußraum und auf den Sitzen. Er
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