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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freudenberger
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Ordnung. Da gibt’s keinen Ärger mit dem Vorsitzenden.«
    »Wenn’s danach geht, muss der Pächter hier ja mächtig Ärger gehabt haben.« Stillers Hand beschrieb einen Bogen über die Parzelle. Trotz der Abenddämmerung war der schlechte Zustand der Laube und des Gartens gut erkennbar.
    »Das ist was anderes. Der ist ja schon ein paar Monate weg. Das ist entschuldigt. Der hatte keinen Ärger.«
    »Sicher?«
    »Da bin ich ganz sicher.«
    Stiller lächelte. »Obwohl du dich gar nicht darum kümmerst?«
    »Hm.« Mooser dachte nach. »Dass ich mich nicht drum kümmere, heißt ja nicht, dass ich nix davon mitkriege, wenn einer Ärger macht. Wozu willst du das überhaupt wissen?«
    »Interessiert’s dich nicht, wer das war?«, fragte Stiller zurück. »Ich wüsste schon gerne, ob hier ein Mörder rumläuft.«
    »Von uns war das keiner«, wiederholte Mooser. Er nickte in Richtung Polizei. »Wenn die das glauben, sind sie auf dem Holzweg. Die sollten lieber mal die Russen fragen.«
    »Die Russen?« Stiller runzelte die Stirn.
    »Was weiß ich, wo die genau herkommen. Russlanddeutsche halt. Können aber kaum Deutsch. Jedenfalls machen die sich hier im ganzen Ostsektor breit.« Erneut lachte er auf und wies nach Osten. »Wie passend!«
    Stiller folgte seinem Blick. »Hier in der Anlage? Dann gehören die doch auch zu ›uns‹ …«
    Mooser wurde ernst. »Schon«, sagte er knapp, »aber anders.« Er streckte den Kopf weiter über den Zaun und senkte die Stimme. »Kennst du keine Leute, die dir unheimlich sind?«
    »Doch«, sagte Stiller wahrheitsgemäß. »Frauen.«
    Mooser stutzte. Dann brach er in ein Gelächter aus, das in einen rauen Husten überging.
    »Hans!«, rief eine besorgte Stimme im Nachbargarten.
    Stiller blickte suchend über die Hecke, sah aber niemanden.
    »Meine Frau«, hustete Mooser. »Muss dir nicht unheimlich sein.«
    »Hans!« Die Stimme klang jetzt weniger besorgt als ungeduldig. »Es wird kalt. Wir gehen!«
    »Du hörst’s ja.« Mooser reichte Stiller die Hand. »Bist du morgen im Lande?«
    Stiller nickte. »Denke schon. Ich hab ja wohl einiges zu tun.«
    »Dann komm ich mal rüber und seh nach dem Brunnen.« Mooser wandte sich um. »Servus«, rief er über die Schulter zurück.
    Stiller sah ihm nach, wie er die Hecke teilte und verschwand. Dann eilte er um die Laube und sammelte im Geräteschuppen das Paar Sandalen ein. Auf dem Rückweg warf er noch einen Blick in den Nachbargarten. Von Mooser war nichts mehr zu sehen. Morgen würde sich zeigen, was so ein Gärtner alles mitkriegte, ohne sich drum zu kümmern.
    ***
    Sizilien hatte zweifelsohne sehr eindrucksvolle Sonnenuntergänge zu bieten gehabt, soweit er sich daran erinnerte. Aber keinen davon würde er tauschen wollen gegen diesen Sonnenuntergang in der Großstadt.
    Claudio stand in der Mitte seines Büros im achtundzwanzigsten Stock und hatte sich der Glasfront zugewandt. Fast ergriffen betrachtete er die Hochhäuser in seinem Blickfeld, deren Fenster im Licht der untergehenden Sonne funkelten. Zuerst in grellem Orange, das in den Augen schmerzte. Dann schienen die Scheiben wie Feuer zu lodern, bevor die Farbe des Blutes hineinfloss. Die Fenster spiegelten das Sterben des Tages. Ihr Blut würde allmählich erkalten, zu einem Braunrot gerinnen, bis sie nur noch in einem violettstichigen Caput mortuum schimmerten und am Ende bleifarben aus dem Leben schieden, grau wie der Himmel, der schon über der Stadt aufgezogen war.
    Gerne hätte er dem Schauspiel, das ihm hier Natur und Baukunst boten, weiter seine Aufmerksamkeit geschenkt. Doch da war der Schneider, der um ihn herumwuselte und für den er ständig neue Posen einnehmen musste; unaufgefordert, denn er kannte die Prozedur, zudem war der Schneider gehörlos. Da lümmelte Giuliano, sein Sohn, im Ledersofa, die Beine gespreizt, den Mund wie immer spöttisch verzogen; er musste nicht hinsehen, um das zu wissen. Und da war die Sache in Aschaffenburg, keine fünfzig Kilometer von diesem Büroturm in Frankfurt entfernt.
    Claudio bewegte sich nicht, während der Schneider an Schultern und Armen Maß nahm, schaute aber verstohlen aus den Augenwinkeln in Giulianos Richtung, um sich selbst im Spiegel zu betrachten, der über dem Sofa hing. Ein untersetzter Mann mit kurzen Beinen, zu kurz, um in Anzüge von der Stange zu passen. Er konnte sich mittlerweile Maßgeschneidertes leisten. Er hatte als Fundamentgießer angefangen, als er von Sizilien nach Deutschland gekommen war, und hatte sich

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