Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Äichä.« Er sah die Kellnerin an. »Vier Bier worn des, Rosmarie.«
»Ich weiß.«
»Die Herrn bezahle.«
»Wie üblich.«
Stiller war überzeugt, dass Alfons kicherte, während er zum Ausgang schlurfte.
8
Claudio liebte die Stunde nach Mittag. Die angenehme Trägheit, die er dem vollen Magen verdankte – und einer halben Flasche sizilianischen Weißweins, ordentlich gekühlt. Er hatte bei Gino eine Pizza gegessen. Er wechselte täglich zwischen Da Gino und Da Fabio. Nirgendwo sonst in dieser Stadt gab es noch Pizza, wie er sie aus seiner Kindheit kannte. Nicht einfach das geschnippelte Gemüse und die Pilzscheiben auf den Teig geworfen, sondern zuvor in Öl angebraten. Das gab der Pizza die besondere Note. Noch ein paar Sardellen dazu und gut. Aber was verstanden diese Nordeuropäer schon davon.
Er wusste, dass ihn viele wegen seiner Vorliebe für Pizza belächelten. Geschäftsfreunde, Kunden, sogar Mitglieder seiner eigenen Familie. Doch erstens beschränkte sich die Vorliebe auf die Pizza bei Gino und Fabio. Und zweitens konnte er sich auch alles andere leisten, die Speisekarte rauf und runter. Es zu können genügte ihm. Er musste es nicht haben. Natürlich hatte er schon das eine oder andere probiert, Scaloppine alla Taormina beispielsweise. Aber im Gegensatz zur üppigen Pizza waren die sonstigen Portionen bei Gino und Fabio höchst übersichtlich. Sie verloren sich auf den großen Tellern, da halfen auch die Balsamicospritzer nichts, die sich wie ein dunkles Gitter über das weiße Porzellan zogen. Sich etwas leisten zu können hieß ja nicht, Geld verschwenden zu müssen. Was soll’s, die Pizza war gut, und der Wein duftete nach der Landschaft seiner Kindheit.
Jetzt saß er wieder in seinem Büro. Er lag fast in seinem Sessel, den er zur Fensterwand gedreht und dessen Lehne er so weit heruntergelassen hatte, bis sie auf der Schreibtischkante auflag. Er fühlte, wie sich die Trägheit ausbreitete, und überlegte, ob er sich ein Nickerchen erlauben durfte, als das Telefon klingelte. Ein interner Anruf. Er legte den Kopf zur Seite und schielte auf das Display. Das Vorzimmer. Seine Sekretärin hatte Anweisung, ihn in der Stunde nach Mittag nicht zu stören. Mit einer Ausnahme. Er seufzte, streckte den Arm aus und angelte sich das Telefon vom Schreibtisch.
»Ja?«
»Sie müssen entschuldigen, aber Ihr Sohn …«
»Stellen Sie durch. – Giuliano«, blaffte er. »Um diese Stunde? Ist was mit dem Mercedes? Nein?« Sofort entspannte er sich wieder. »Was dann?«
Er lauschte und sog die Informationen in sich auf. Sie hatten den Wagen des Toten gefunden, aber nicht genauer nachsehen können, weil ein Radler auf dem Parkplatz herumgelungert war. Und als sie zurückkamen, war plötzlich jede Menge Polizei auf dem Parkplatz gewesen.
»Vergiss den Wagen«, unterbrach er. »Wenn da was war, ist es jetzt zu spät, da hilft nur noch warten und hoffen. Wie ist es mit unserem Gewährsmann gelaufen?«
Was er hörte, ließ seine Trägheit mit einem Mal verschwinden. Giuliano und Gianluca waren zur vereinbarten Zeit am Vereinsheim gewesen, hatten aber niemanden angetroffen. Dieser Hohlkopf hatte die Verabredung platzen lassen. Was für ein Geschäftsgebaren war das? Claudio hasste Unzuverlässigkeit. Schon immer, aber erst recht seit er sich in dieses Stockwerk hochgearbeitet hatte. Man ließ ihn und seine Leute nicht warten oder womöglich sitzen. Ein Wort war ein Wort. Er richtete die Lehne auf und drehte den Sessel zum Schreibtisch.
»Probiert es weiter. Ruft ihn an, macht ihm notfalls etwas Druck. Und sagt ihm, dass ich wütend bin. Er hat mir die Stunde nach Mittag verdorben, so was trag ich nach. Sonst noch was?«
Der Radler war auch in der Kleingartenanlage aufgetaucht. Giuliano war sich nicht sicher, ob er ihnen gefolgt war.
»Na und? Ihr habt jedes Recht, euch dort aufzuhalten, das ist kein Verbrechen. Bewegt euch ganz normal. Aber Giuliano …«, er drehte den Sessel wieder zum Fenster und betrachtete die Hochhäuser, »… ich will, dass ihr alles verschwinden lasst, was auf uns hindeutet.« Er dachte an den Wagen. »Wenn es nicht schon zu spät ist. Beeilt euch ein bisschen. Macht Dampf.«
Wieder lauschte er. »Giuliano, was ist los mit dir? Gebrauch deinen Verstand, lass dir was einfallen. Die Sache ist heiß, aber wenn sie hinhaut, haben wir ausgesorgt. Das gilt auch für dich, kapiert?«
Er drückte seine Schultern gegen die Sessellehne, bis sie wieder auf die Schreibtischkante gesunken war.
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