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Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Titel: Stiller Zorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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irgendwo über mir.
    »Ich würde mich nicht zu viel bewegen, Sir«, sagte jemand, und jedes R klang, als ob ein kleiner Motor angelassen wurde.
    »Wo bin ich?«
    »Sie sind im Touro Infirmary, Sir.« Wieder die R . »Die Polizei hat Sie hergebracht. Schön, dass Sie wieder bei sich sind. Versuchen Sie sich auszuruhen.«
    Danach schwebte wieder alles irgendwie von hinnen, und eine ganze Zeitlang bekam ich nur Bildfetzen mit. Irgendein Knabe um die neunzehn, der sagte, er wäre Arzt, und einen Gartenschlauch in der Hand hatte, den er mir, wie er sagte, in die Nase »schieben« wollte. Machte er aber nicht. Zig Laboranten, die Einmachgläser voller Blut von mir brauchten. Ein Typ in einem dreiteiligen Anzug, der so weit wie möglich von mir weg saß und wissen wollte, wie ich mit alldem klarkäme.
    Nach und nach kriegte ich den Tagesablauf geregelt. Laboruntersuchung vor dem Frühstück, gegen zehn eine kurze Arztvisite, um elf Gruppensitzung, danach Mittagessen, Küchendienst, dreißig Jahre alte Reisefilme, Fernsehen, abends Medikamente, Licht aus um zehn.
    »Da war eine Frau«, sagte ich nach drei, vier Wochen.
    »Jede Menge.«
    »Sie hat sich am Anfang um mich gekümmert, als es mir richtig dreckig gegangen ist. Eine Schottin, glaub ich.«
    »Das dürfte Vicky gewesen sein. Sie ist drüben im Hotel Dieu, soweit ich weiß.« Die hier war klein, eine Latina mit dicken Zöpfen. »Ich habe nie verstanden, warum die britischen Schwestern alle so verdammt gut sind. Aber wenn ich krank wäre, würde ich von so einer versorgt werden wollen, jede Wette. Brauchen Sie sonst noch was, Mister Griffin?«
    »Nein. Aber trotzdem danke, Donna.«
    » Por nada .«
    So ging es einige Zeit weiter. Ich kann mich erinnern, dass mein Vater ein, zwei Wochen lang an meinem Bett saß. Verne kam ein paarmal vorbei und sagte, wenn sie irgendwas für mich tun könnte … Corene Davis beugte sich über mich und flüsterte mir etwas ins Ohr, das Earl Long später abzubeißen versuchte. Eines Nachts war Martin Luther King da, aber niemand anders sah ihn. Ich habe gefragt.
    »Lew?«, sagte jemand. »Lew? Ist alles okay?«
    Es war Don. Er sah viel älter aus, als ich ihn in Erinnerung hatte, viel müder. »Sag mir Bescheid, wenn du irgendwas brauchst.« Er erzählte mir, dass seine Frau ihn endgültig verlassen und die Kinder mitgenommen hätte. Er sagte, einer von seinen Leuten habe mich aufgegriffen, und sie hätten nichts drüber verlauten lassen.
    »Wie fühlst du dich bei alldem?«, sagte er.
    »Herrgott, Don, du klingst wie einer von den Hirnpoplern hier. Peinlich ist es mir, beschissen fühl ich mich. Blamier t , wie Daffy Duck zu sagen pflegte.«
    »Du warst ziemlich weggetreten, Lew. Seitdem du dich mit Janie zusammengerauft hast und die Sache wieder schiefgegangen ist. Ich nehm an, du weißt, dass ich dir Aufträge zugeschanzt habe.«
    »Ich hab’s gewusst.«
    »Aber zuletzt musste ich’s sein lassen. Ich konnte die Fragen nicht mehr beantworten, die mir die Leute hinterher gestellt haben. Kannst du dich noch groß dran erinnern, wie’s in den letzten paar Monaten gelaufen ist, Lew?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Meine Leute hatten einen ständigen Auftrag. Jede Nacht gegen zwölf oder so sollten sie dich suchen und heimbringen. Du wolltest nicht heimgehn, hast es aber trotzdem gemacht. Manchmal mussten sie dich drei-, viermal pro Nacht heimschaffen.«
    Er schwieg einen Moment. »So schlimm«, sagte ich.
    »Eines Morgens wollte mich der Captain sprechen. Wer, zum Geier, ist dieser Lew Griffin, hat er gesagt. Ein Dealer, ein Gorilla oder was? Ich hab ihm gesagt, dass du ein Freund bist. Wir werden nicht dafür bezahlt, dass wir uns um Freunde kümmern, Walsh, wir werden dafür bezahlt, dass wir die bösen Buben aus dem Verkehr ziehen, da draußen ein bisschen für Ordnung sorgen. Ich sag Ihnen damit bestimmt nichts Neues. Ja, Sir, hab ich gesagt. Und er sagt: Ich will den Namen nicht mehr hören, ja? Nein, Sir, hab ich gesagt. Aber meine Männer hatten nach wie vor ständig den Auftrag.«
    Ich wollte mich bedanken, doch Lew sagte: »Halt bloß das Maul, Lew, in Ordnung?« Ich machte es. »Ein, zwei Abende später krieg ich dann einen Anruf von Thibodeaux. Ich hatte Maria versprochen, dass wir den Abend zusammen verbringen – es war unser Hochzeitstag oder irgend so was –, und zwischen dem zweiten Drink und dem Salat geht der Pieper los. Anscheinend hatte die Bedienung vom Joe’s angerufen. Du bist etwa eine Stunde lang regelmäßig

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