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Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Titel: Stiller Zorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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mich gebeten, sie aufzuspüren, wenn ich kann. Hat lange nichts mehr von ihr gehört. Macht sich Sorgen.«
    »Kann ich Ihnen nicht viel sagen. Sie hat ziemlich zurückgezogen gelebt. Hat nie jemand bei sich gehabt, ist nicht groß ausgegangen.«
    »Hatte sie Arbeit?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich nehm’s an.«
    »Wann ist sie ausgezogen?«
    »Mal sehn … Muss knapp einen Monat her sein.«
    »Wissen Sie, warum?«
    »Hat die Miete nicht gepackt. Der Besitzer musste sie irgendwann dazu auffordern, dass sie auszieht.«
    »Hat sie’s gemacht?«
    »Am nächsten Morgen. Hat auch die Wohnung sauber gemacht und so, bevor sie rausging. Das macht heute kaum noch einer.«
    »Keine Nachsendeadresse?«
    »Nicht bei mir, und auf der Post auch nicht. Ich weiß das, weil der Besitzer ihr einen Teil von der Kaution zurückschicken wollte, obwohl sie die letzte Miete nicht bezahlt hat. Hatte irgendwie ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache, nehm ich an.«
    »Okay. Hören Sie, ich will Sie nicht einspannen, aber falls Ihnen zufällig irgendwas einfallen sollte, irgendwas, das mir vielleicht weiterhilft, könnten Sie mich dann anrufen?«
    Ich reichte ihm eine Karte und einen Zehndollarschein.
    »Ich kann von Ihnen kein Geld annehmen, Mister –« Er schaute auf die Karte. »– Griffin.«
    »Klar doch.«
    »Ich käme mir dabei komisch vor.«
    »Na schön. Dann behalten Sie es einfach eine Zeitlang, und wenn nichts dabei rauskommt, schicken Sie es mir zurück.«
    »Na ja«, sagte er.
    »Hören Sie, ich habe Sie aufgehalten. Auf welche Uni gehen Sie?«
    »Loyola.«
    »Dann setz ich Sie dort ab. Gibt’s da irgendwelche Einwände? Sie wissen schon …«
    Er grinste. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Ihnen das auch bestimmt nicht zu viel Mühe macht.«
    »Keineswegs.«
    Ich setzte ihn inmitten einer Heerschar von langen Beinen, knackigen Hintern in engen Jeans und herrlichen Brüsten unter knappen Pullis ab, dachte mir dabei, dass ich unter alldem nie und nimmer zu irgendeiner Vorlesung kommen würde. Besser gesagt, gekommen wäre – vor so vielen Jahren, dass ich nicht mal dran denken wollte.
    Ich fuhr wieder nach Downtown, kochte mir im Apartment eine Kanne Kaffee – Vicky hatte ausnahmsweise Tagschicht – und hatte gerade einen Schuss guten Iren reingekippt, als das Telefon klingelte.
    »Mister Griffin?«
    »Ja.«
    »Kirk Woodland.«
    Ich wartete.
    »Bei der Wohnung da oben, wegen vorhin.«
    »Ah. Genau.«
    »Mir ist gerade was eingefallen, das Ihnen vielleicht weiterhilft. Es gibt da einen Jungen, ein Stück die Straße runter. Er ist, ich weiß nicht, achtzehn oder so, aber schwer zurückgeblieben, wissen Sie? Cherie hat ihn oft besucht, ihm Geschichten erzählt und so, dies und jenes beigebracht. Glauben Sie, dass sie dort vielleicht irgendwann aufkreuzt?«
    »Könnte durchaus sein. Besten Dank, Kirk. Wissen Sie die Hausnummer?«
    »Nein, aber es ist einen Straßenzug weiter südlich, das einzige einstöckige Holzhaus weit und breit. Können Sie nicht verfehlen. Weiß, mit gelben Fensterläden.«
    »Dafür gibt’s noch mal einen Zwanziger dazu. Ich steck ihn unter der Tür durch.«
    »Nein, Mister Griffin. Das war schon mehr als genug.«
    »Ich bestehe darauf. Sie haben mir womöglich eine Menge Zeit und Mühe erspart. Außerdem gibt es meines Wissens keinen Studenten, der nicht ein, zwei Scheine mehr gebrauchen könnte.«
    »Na ja«, sagte er.
    »Darf ich Sie noch was fragen?«
    »Klar.«
    »Fällt es Ihnen eigentlich schwer, sich zu konzentrieren, wenn ständig lauter knackige junge Mädels um Sie rum sind?«
    »Geht das nicht jedem so?«
    »Herrgott, das will ich doch hoffen. Und hoffentlich nicht bloß alten Männern wie mir.«
    »Wohl kaum.«
    »Gut. Und nochmals besten Dank.«
    Ich trank den Irish Coffee aus, danach noch zwei Tassen ohne den Iren und fuhr dann wieder nach Metairie. LuAnne war nach wie vor allein und ohne Eltern, Frances Villon immer noch auf Diebeszug, und in dem einstöckigen Holzhaus begegnete man mir zunächst nur mit Argwohn.
    Schließlich konnte ich den Vater (Mama hatte sich vor langer Zeit abgesetzt) davon überzeugen, dass ich weder vom Sozialamt kam noch ein Kinderschänder war (was seiner Meinung nach vermutlich aufs Gleiche rauslief), und wurde Denny vorgestellt.
    »Sie ist richtig gut zu ihm gewesen, Cherie, mein ich. Die Einzige, die sich jemals mit ihm abgegeben hat, außer mir.«
    Denny war nicht nur achtzehn, er war zudem riesig, fast so groß wie ich, und breit wie ein Kühlschrank. Er

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