Stiller Zorn: Roman (German Edition)
Schiefertafel neben der Tür zur Küche angeschrieben.
Wir bestellten uns beide Fischsuppe, feurige rote Bohnen mit Reis und Boudin , entschärften das Ganze mit einer Flasche eisgekühltem Weißwein. Die Rechnung belief sich auf 28,66 Dollar – ich weiß beim besten Willen nicht, wie der Mann damit über die Runden kommt. Bouchard kam höchstpersönlich in seiner blutigen, fettverschmierten Schürze raus, als wir gingen, um sich davon zu überzeugen, dass alles zufriedenstellend gewesen war. Wir sagten ihm wie immer, dass es weit mehr als zufriedenstellend gewesen war, es sei vielmehr schlicht und einfach hervorragend gewesen. » Merci «, sagte er und flüchtete wieder erleichtert in seine geliebte Küche.
Wir spazierten ziellos zurück in Richtung Apartment und genossen die Wirkung des Weins und der kühlen Luft, als ein Auto neben uns abbremste und anhielt. Zwei junge Weiße saßen drin. Der eine hatte eine Maß Bier dabei, der andere einen Dreiviertelliter Whiskey, und sie ließen die Flaschen ständig hin und her gehen.
»Hey, schau mal«, sagte der eine. »Der Nigger hat ’n weißes Mädchen dabei. Muss sich vorkommen wie der Gockel auf dem Mist, wa?«
»Hey, Mann, bist du der Gockel auf dem Mist?«
»Wir reden mit dir, Nigger.«
Ich drehte mich um, schaute sie an, wartete. Es war eine altbekannte Geschichte, die bis auf ein paar kleine Abweichungen immer gleich ablief. Solange sie nicht aus dem Auto ausstiegen, würde gar nichts passieren. Und dann sollte es lieber schnell gehen, bevor sie darauf gefasst waren.
»Der Nigger kann nicht reden«, sagte der Fahrer.
»Muss einer von den dummen Niggern sein.«
»Läuft das nicht aufs Gleiche raus?«
Sie lachten, tranken, lachten weiter. Der Beifahrer langte zum Türgriff.
»Ich habe gehört, dass in den Staaten so was vorkommt«, sagte Vicky, »aber ich hab’s nicht geglaubt, nicht so richtig. Aber ich nehme an, dass es in jedem Land Scheißkerle wie die zwei gibt.«
Einen Moment lang war alles still und leise.
»Scheiße, Mann«, sagte der Beifahrer zum Fahrer. »Das is ja nicht mal ’ne Weiße, das is ’ne verfluchte Ausländerin.«
Sie ließen noch mal die Flaschen kreisen und fuhren davon.
»Willkommen im Ghetto, Miss Herrington«, sagte ich, und wir fielen uns lachend in die Arme, lachten, wie man es nur fertigbringt, wenn sich die ganze Anspannung löst.
Zu Hause ließ Vicky ein Bad einlaufen, kam nackt zurück ins Wohnzimmer und goss sich einen Brandy ein.
»Trägst du auch mal Kleider?«, fragte ich sie. Sie schnitt ein Gesicht und leckte sich die Lippen.
Ich legte was von Chopin auf, leise, und hörte den Anrufbeantworter ab. Vicky hier, ich bin im Moment nicht da, hinterlassen Sie bitte Ihren Namen, usw., dann das Gleiche auf Französisch. Sansom und Walsh hatten angerufen, um festzustellen, wie es lief. Jimmi wollte, dass ich ihn zurückrief, wenn ich wieder heimkam, egal wie spät.
Ich wählte und wartete, ließ es sechs-, siebenmal klingeln.
»Ja.«
»Jimmi?«
»Lew. Danke, dass Sie zurückrufen. Haben Sie irgendwas rausgefunden?«
»Nicht viel. Nicht so viel, wie ich gehofft hatte. Aber ich habe eine brauchbare Spur, und irgendwas könnte dabei rauskommen. Ich sag Ihnen Bescheid.«
»Ja, tun Sie das bitte, und noch was, Lew –?«
»Ja.«
»Danke. Sie sind ein guter Kerl, lassen Sie sich von niemandem was anderes einreden.«
»Gute Nacht, Jimmi.«
Ich ging ins Badezimmer. Vicky las einen Roman; nur der Kopf, die Hände und die Knie ragten wie Inseln aus dem Wasser. Ich nahm das Glas, das auf dem Wannenrand stand, und trank einen Schluck Brandy.
»Irgendwelche Anrufe für mich?«, sagte sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Möchtest du Gesellschaft?«
»Die Wanne ist nicht groß genug für uns beide, Partner.«
»Ich nehm eine von Alice’ Pillen und mach mich kleiner.«
»Na gut. Vielleicht schrumpft dich das Wasser ein.«
Sie zog die Knie an und tätschelte das Wasser vor sich. »Hierher, Cowboy.«
Hinterher, als wir gerade am Eindösen waren, fragte ich sie: »Wie viel Einheiten würde deine Oberschwester dafür veranschlagen?«
»Grrrrr«, machte sie.
Da Vicky wieder Nachtschicht hatte, nutzten wir die seltene Gelegenheit und frühstückten zusammen, Kaffee, Obst, Toast, gekochte Eier und Heringe, ließen uns über eine Stunde dafür Zeit. Sie hatte an diesem Morgen Lust auf einen kleinen Einkaufsbummel. Wir spülten das Geschirr ab und räumten es ein, und ich setzte sie auf dem Weg zur Kreditfirma an der
Weitere Kostenlose Bücher