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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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winzigen Grundstück, das nicht einmal ein Tor am Zaun vorweisen konnte! Anwesen!
    Mein Gott, und wie viele Fragen sie wieder gleichzeitig stellte, wie zwangsläufig sie in Vorwürfen mündeten! Sven schaltete ab. Darin hatte er Übung, und er wusste auch, dass er seine Mutter damit zur Weißglut bringen konnte. Doch im Grunde seines Herzens wollte er eigentlich keinen Streit, machte sich geflissentlich an der Kaffeemaschine zu schaffen, schnitt sich ein Stück von seinem geliebten Marmorgugelhupf ab, den seine Mutter, seit er denken konnte, jede Woche aus dem Ofen zauberte. Teller und Tasse stellte er bereit, sie wollte ja nichts. Dann war auch der Kaffee schon durchgelaufen.
    Nun würde er vielleicht doch etwas sagen müssen? Doch seine Mutter kam ihm zuvor.
    "Hast wieder die Sahne vergessen, nun erzähl doch schon, wie war es denn, lass´ dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen."
    Sven konnte sich einen tiefen Seufzer nicht verkneifen.
    "Aber Mutter, soll ich dir nun von Teneriffa erzählen? Oder von meinen weiteren Ausbauplänen in meinem Haus? Oder ob ich jemanden kennengelernt habe? Ich muss doch erst mal richtig ankommen. Vor ein paar Stunden habe ich noch hoch über den Wolken geschwebt!"
    In diesem Moment wurde ihm die Doppeldeutigkeit seiner Worte bewusst. Er hatte ja tatsächlich über den Wolken geschwebt, mit Anne. Aber inzwischen war er wohl wieder brüsk auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. Urlaub ist Urlaub - und Alltag ist Alltag. Das hatte ihm Anne doch unmissverständlich zu verstehen gegeben. Doch darüber kann ich doch nicht mit meiner Mutter sprechen. Nicht auszudenken, was für ein gewaltiger Redeschwall da auf ihn zurollen würde. Er biß also in seine Scheibe Gugelhupf und gab während des Kauens entsprechend undeutlich zu verstehen, dass der Urlaub wirklich spitze gewesen sei. Oder so ähnlich.
    "Mein Gott, du sollst doch nicht immer mit vollem Mund sprechen, kein Wunder, dass du keine Frau mehr kennenlernst. Dabei bist du doch schon ganz schön bei Jahren!", lamentierte Margot. Doch dann stand sie plötzlich auf und verschwand in Richtung Wohnzimmer.
    "Wenn du mir sowieso nichts erzählen willst, dann kann ich auch meine Talk-Show im Fernsehen zu Ende gucken."
    Sven nickte ergeben und konnte gar nicht verstehen, wie seine Eltern es schon über dreißig Jahre miteinander ausgehalten hatten. Wahrscheinlich lag es an der Schichtarbeit. Dadurch waren fast nie beide gleichzeitig zu Hause, so konnten sie sich nicht dauernd auf der Pelle hocken und gegenseitig nerven.
    Mit Genuss aß er auch noch ein zweites Stück Kuchen, trank seinen Kaffee (also, der hatte auf Teneriffa ja wirklich nicht so besonders geschmeckt!).
    Teneriffa und Anne - das war für ihn wie ein einziger Gedanke. Was würde sie jetzt wohl machen? Halbherzig ging er daran, sein Geschirr gleich abzuwaschen, damit Margot nicht wieder sagen konnte, er würde alles stehen und liegen lassen. Während er mit dem Geschirr klapperte, hörte er aus dem Wohnzimmer Kreischen und Johlen.
    Diese Talk-Shows, dachte er genervt und spülte nun auch noch ganz gemächlich den Teller, der schon vorher am Becken gestanden hatte.
    Aber mit seinen Gedanken war er ganz woanders. Sie drehten sich immer noch um Anne.
    Auch später, in seinem Zimmer, konnte er an nichts anderes denken. Seine Eltern nannten den Raum übrigens noch immer Kinderzimmer, obwohl er den Kinderschuhen längst entwachsen war. Als ihm das bewusst wurde, fragte er sich, ob seine Eltern nicht doch irgendwie Recht hatten, wenn sie ihm vorwarfen, dass er ewig nicht erwachsen werden wollte. Andererseits hatten sie jedesmal, wenn er früher Anstalten gemacht hatte, sich eine eigene Bleibe zu suchen, Theater gemacht. Mutter hatte ihn nach solchen Ausbruchsversuchen meist noch mehr als sonst gehätschelt, umsorgt, gegängelt und mit ihrer übersteigerten (und deshalb so unechten) Fürsorglichkeit erdrückt. Ihm wurde übel, wenn er nur daran dachte.
    "Wäre es vielleicht doch besser, sich bald auf eigene Füße zu stellen?"
    Als er merkte, dass er laut gedacht hatte, kamen ihm wieder Anne und ihre Weisheiten über Selbstgespräche in den Sinn. Unwillkürlich stahl sich ein Lächeln in sein Gesicht. Inzwischen glaubte er wohl auch selbst daran, dass Leute, die mit sich selber sprachen, nicht zwangsläufig verrückt sein müssen.
     

Willkommensgrüße und Nachrichten
     
    Anne schaute sich in ihrer Wohnung um. Alles war so vertraut und schien ihr heute doch irgendwie fremd zu

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