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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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verheimlichen?
    Doch Margot beachtete seine Frage gar nicht, sie war schon zu sehr in Fahrt gekommen bei ihrem Bericht, wollte gar nicht mehr aufhören. Sie erzählte, dass sie auffallend oft eine kleine, zierliche Person auf den Fotos gesehen habe.
    "Manchmal auch gemeinsam mit unserem Sohn! Neben all den Affen und Papageien, neben den nackten Felswänden und merkwürdig kargen Sträuchern, da sieht die Kleine wirklich hübsch aus. Aber denkst du, der Bengel rückt mal mit der Sprache raus?"
    Richtig wütend sei er geworden, als sie ihn einmal direkt darauf angesprochen habe, angeschrien habe er sie, dass sie überhaupt nicht in seinen Fotos herumzuwühlen hätte, dass sie das alles gar nichts anginge, aber wenn sie es denn unbedingt wissen wolle, eine Urlaubsbekanntschaft eben, weiter nichts. Naja, wer´s glaubt, wird selig.
    "Mein Gott, Helmut, hättest du nicht wenigstens schon mal schon die Tassen auf den Tisch stellen können?"
    Helmut zuckte zusammen, er hatte sich in den fast vier Jahrzehnten ihrer Ehe noch immer nicht an die schnellen Themenwechsel seiner Frau gewöhnen können. So vergaß er ganz und gar, dass er sie eigentlich wegen ihrer Heimlichtuerei hatte zurechtweisen wollen. Trotzdem sprang er nicht sofort auf, um die Tassen zu holen. Wäre ja noch schöner!
    Mit vorwurfsvollem Blick ging Margot zum Schrank, nahm selbst das Geschirr heraus und stellte es betont behutsam auf dem Tisch ab.
    "Ist denn der Kaffee schon durchgelaufen?"
    Helmut stand neben der Kaffeemaschine, hob den Deckel über dem Filter an und schaute prüfend hinein. Erst als nichts mehr von oben in den Filter tropfte, nahm er endlich die Kanne von der Maschine.
    Margot ging das alles viel zu langsam, sie schimpfte weiter.
    "Urlaubsbekanntschaft hin, Urlaubsbekanntschaft her. Irgend etwas muss da vorgefallen sein. Neulich habe ich den Chef von Sven getroffen, der meint auch, dass mit unserem Sohn irgend etwas nicht stimmen könne, denn er sei so sonderbar still. Und er meinte auch, dass er jetzt sehr oft bei der Arbeit schludere."
    Na, das fehlt ja gerade noch, dachte Helmut, schludern bei der Arbeit, das hatte es bei ihm nie gegeben! Aber er kam nicht mehr dazu, seine Meinung zu diesem Punkt zu äußern, denn in dem Moment quietschte die Korridortür erbärmlich.
    Helmut vergaß absichtlich seit Wochen das Ölen, denn so hatte er eine gute Kontrolle, wann Sven die Wohnung verließ und wann er wieder nach Hause kam.
    "Sven? Bist du`s?", rief die Mutter und war sich nicht bewusst, wie überflüssig ihre Frage war.
    Ihr Sohn antwortete laut und vernehmlich: "Ja, ich, wer sonst? Gibt es gerade Kaffee? Ich möchte auch welchen!"
    Margot hörte, wie er die Klappe vom Schuhschrank einfach losließ, dass es laut knallte. Dieses Geräusch konnte sie nicht ausstehen.
    "Musst du immer so mit der Tür vom Schuhschrank knallen? Wo warst du denn überhaupt? Und Kaffee musst du dir selbst ansetzen, wir wussten ja schließlich nicht, ob und wann du nach Hause kommst …"
    Er sollte ruhig merken, dass sie ungehalten war über sein Verhalten. Warum ließ er sie nicht an seinem Leben teilhaben? Warum war er oft so kurz angebunden oder, was noch schlimmer war, warum überhörte er ihre Fragen so geflissentlich?
    Mit einem Seufzer ließ sie sich auf die Eckbank fallen und verschränkte die Arme vor ihrer mächtigen Brust. Sollte er sich gefälligst selbst bedienen!
    "Wo ich war?" fragte Sven jetzt gedehnt zurück, als er zur Küchentür hereinkam und sie wieder so mit diesen feindselig verschränkten Armen am Küchentisch sitzen sah. Den Vater hätte er am liebsten ganz und gar übersehen, doch der hatte ihn schon fest im Visier. Es blieb ihm nichts, als auch ihn einigermaßen höflich zu begrüßen, wenn er sich nicht noch größere Schwierigkeiten einhandeln wollte. Sven fand, er habe auch so schon genug am Hals, und hielt es für klüger, einzulenken.
    "Hallo, Vater,", nickte er vage in Helmuts Richtung, um gleich darauf fortzufahren: "Ich war nur ein bisschen draußen, habe jemanden besuchen wollen, aber der war nicht da."
    Er versuchte, seinen Worten einen beiläufigen Anstrich zu geben, kramte schon nach der Kaffeedose und den Filtertüten, beschäftigte sich über Gebühr lange mit dem Zubereiten des Kaffees, als gäbe es nichts Wichtigeres für ihn.
    Die Augenbrauen des Vaters waren währenddessen immer höher und eckiger, die Stirn faltiger geworden. Das kannte er von Kindesbeinen an, und er wusste: Gute Zeichen sahen anders aus. Sein mulmiges

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