Stille(r)s Schicksal
selbstverständlich."
Das sollte wohl herzlich klingen, tat es aber nicht.
Margot konnte ihren Blick im Rücken spüren, als sie mit Laura auf dem Arm den Hof überquerte.
Die Großmutter drückte ihr Enkel fest an ihre große, warme Brust und eilte ihrem Sohn nach, der ohne Abschiedsgruß gegangen war. Frau Lärche hatte so getan, als bemerke sie die Unhöflichkeit nicht.
Draußen wehte ein kühler Wind. Margot hielt vergeblich nach Sven und dem roten Polo Ausschau. Er war offensichtlich ohne sie losgefahren.
Margot wunderte sich, schrieb sein Verhalten aber seinem konfusen Zustand zu.
„ Na gut, gehen wir eben die paar Meter zu Fuß!", beschwichtigte sie Laura, die schon wieder das Gesicht verzog, als wolle sie weinen.
Als sie das Köpfchen berührte, zuckte sie zurück.
„ Du hast ja Fieber!“ sorgte sie sich und legte an Tempo zu. Als ob nicht so schon alles schlimm genug ist, dachte sie und zog der Kleinen die Mütze tiefer ins Gesicht. Laura war das anscheinend völlig gleichgültig.
Ein Kind und keine Frau dazu?
Die Beerdigung war längst vorbei, und auch sonst alle Formalitäten und Behördengänge erledigt. Sven hatte alles rein mechanisch getan, dort unterschrieben, wo der Finger der Mitarbeiterin des Bestattungsinstitutes hingezeigt hatte.
Wie lange war das her?
In diesem Punkt streikte sein Erinnerungsvermögen.
Aber, dass aus dem Dorf viele Leute da gewesen waren, das wusste er noch. Sie hatten ihm, dem Zugereisten, ihr Mitgefühl um die Ohren geschlagen, und er wusste nichts damit anzufangen.
Aus der Redaktion war nur Dieter gekommen, mit dem Fotoapparat natürlich. Ich habe diesen Kerl von Anfang an gehasst, dachte er, Anne wohl nicht.
„ Na und, wenn schon. . .“, lallte er in seinem Keller vor sich hin. Noch einen Schluck? Klar, wo ist denn diese verdammte Flasche? Ach da. Fast liebevoll berührte er die glatte, gewölbte Oberfläche, gierig setzte er die Flasche an, schluckte die brennende Flüssigkeit, deren übersetzten Namen „Wässerchen“ er ziemlich irreführend fand.
Endlich durchflutete ihn die ersehnte Wärme.
Bloß gut, dass Laura so lange bei den Großeltern bleiben konnte. Da hatte er wenigstens diese Sorge los. Aber jetzt, da alles vorbei war, könnte er sie doch eigentlich wieder nach Hause holen. . .
Ja im Grunde genommen musste er das sogar, durchfuhr es ihn. Hatten ihm nicht schon sein Großeltern, als er klein war und bei ihnen Schutz gesucht hatte, immer wieder eingeschärft, dass ein Kind zu seinen Eltern - und nicht zu den Großeltern - gehöre? Na also!
"Ein Kind gehört zu seinem Vater und nicht zu seinen Großeltern", brüllte er jetzt sein Gegenüber an, stellte dann aber erstaunt fest, dass es sein eigenes Gesicht war, das ihn aus der aufgestellten Spiegelscherbe zornig anglotzte. Er lachte verlegen. Gleich morgen würde er Laura holen!
Obwohl … morgen? Morgen wollte er doch zum Arbeitsamt. Mit der quäkenden Tochter auf dem Arm würde das aber schlecht gehen.
Er war immerhin Maurer, da hatte es hin und wieder schon auch mal ein Angebot gegeben, manchmal wurde er sogar zu Vorstellungsgesprächen eingeladen..
„ Was haben Sie? Eine kleine Tochter - und keine Frau dazu? Wie stellen Sie sich das denn vor?“
Das waren die drei häufigsten Fragen, die bisher den dankenden Ablehnungen vorausgegangen waren.
Was also sollte er auf dem Arbeitsamt?
Als Arbeitsloser, redete er sich ein, könne er sich sowieso viel besser um sein Kind kümmern.
Für heute hatte er genug. Die Flasche war noch nicht einmal ganz geleert, als er nach oben stolperte, die Dusche aufdrehte und sich das kalte Wasser über den Schädel laufen ließ. Er brauchte schließlich einen klaren Kopf.
Seine Tochter gehörte nun einmal hierher, zu ihrem Vater! Daran gab es nichts zu rütteln.
***
Großvater Helmut lag mit Laura auf dem Teppichboden im Wohnzimmer und versuchte ihr das Krabbeln beizubringen. Die Kleine klatschte begeistert in die Hände, als sie den großen Opa auf allen Vieren durch die Stube robben sah.
Aber die erhoffte Vorbildwirkung trat trotzdem nicht ein, das gute Zureden hatte er vergeblich versucht. Da war einfach nichts zu machen, Laura dachte offenbar gar nicht daran, auf dem Boden entlang zu rutschen.
Opa beendete also seine Lehrtätigkeit, legte sich auf den Rücken und stemmte seine Enkeltochter mehrmals hoch in die Luft. Das machte ihr großen Spaß, ihr vergnügtes Quietschen ließ daran keinen Zweifel aufkommen..
Margot hatte schon vor
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