Stilles Echo
Darüber hinaus müssen wir der Pflicht nachkommen, die uns aus diesen Erkenntnissen erwächst. Teilen Sie ihr jetzt bitte mit, daß wir hier sind, und lassen Sie dann Miss Latterly herunterkommen.«
Wharmby zog sein Jackett glatt, straffte sich und öffnete die Salontür.
»Mr. Evan wünscht Sie zu sprechen, Madam. Er hat noch einen anderen Herrn mitgebracht.« Mehr sagte er nicht, sondern verließ mit einer Verbeugung den Raum und bedachte Evan mit einem langen Blick, bevor er zur Treppe ging.
Sylvestra stand auf dem Teppich vor dem Feuer. Sie trug immer noch Schwarz und hatte sich das dunkle Haar zu einem großen Knoten im Nacken zusammengesteckt, aus dem ihr einige Strähnen über den Hals fielen. Im Schein des Feuers sah sie sehr schön aus mit ihren hohen Wangenknochen und den zarten Schultern.
»Ja, Mr. Evan. Was gibt es?« fragte sie und zog leicht die Augenbrauen in die Höhe. Dann sah sie an ihm vorbei zu Monk hinüber.
Evan machte die beiden kurz und ohne weitere Erklärungen miteinander bekannt.
»Guten Abend, Mr. Monk.« Sie tat nicht mehr, als Monks Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen.
»Madam«, sagte er und neigte den Kopf. Ihr ebenfalls einen »Guten Abend« zu wünschen, wäre ein Hohn gewesen. Er schloß die Tür hinter sich und trat weiter in den Raum hinein.
»Ja, Mrs. Duff. Wir haben ziemlich viel von dem herausbekommen, was in der Nacht geschehen ist, in der Ihr Mann getötet wurde. Zuerst würde ich Ihnen gern ein oder zwei letzte Fragen stellen.« Evan ignorierte den erstaunten Ausdruck ihres Gesichtes, ebenso wie er Monk ignorierte, der hinter ihm von einem Fuß auf den anderen trat. »Hat Mr. Duff Ihnen gegenüber in irgendeiner Weise Sorge darüber verraten, was Mr. Rhys an den Abenden tat, die er nicht zu Hause verbrachte? Hat er sich irgendwann einmal über die Freunde geäußert, mit denen Ihr Sohn Umgang pflegte?«
»Ja, das wissen Sie doch. Ich habe es Ihnen selbst erzählt.«
»Hat er mit Worten oder durch sein Verhalten durchblicken lassen, daß er in letzter Zeit etwas erfahren hatte, das seine Sorgen noch vertiefte?«
»Nein! Das heißt, zu mir hat er nichts davon gesagt. Warum?« Ihr Tonfall wurde schärfer. »Würden Sie bitte offen zu mir sein, Mr. Evan? Haben Sie herausgefunden, was mein Mann in St. Giles tat, oder nicht? Ich habe Ihnen bei Ihrem ersten Besuch hier erklärt, daß ich glaubte, er sei Rhys gefolgt, um mit ihm über die Sorte Frauen zu reden, deren Gesellschaft er suchte. Wollen Sie mir nun sagen, daß das die Wahrheit ist?« Sie hob ein wenig das Kinn, beinahe so, als wolle sie Evan herausfordern. »Das würde kaum Ihr Erscheinen hier erklären, noch dazu in Begleitung Mr. Monks und zu dieser späten Stunde.«
»Wir glauben außerdem, daß wir jetzt wissen, wie Ihr Mann zu Tode gekommen ist, Mrs. Duff, und wir müssen entsprechende Maßnahmen ergreifen«, erwiderte Evan. »Wir haben Zeugen, die Rhys mehrmals in St. Giles gesehen haben , manchmal mit anderen zusammen, manchmal allein. Eine junge Frau sagt aus, daß er an jenem Abend dort war…«
»Selbstverständlich war er an jenem Abend dort, Mr. Evan«, fiel Sylvestra ihm ins Wort. »Alles, was Sie mir bis jetzt erzählt haben, wissen wir bereits. Es ist offensichtlich!«
Monk konnte es nicht länger ertragen. Er trat aus dem Schatten heraus, und seine Miene war grimmig.
»Ich bin einer Reihe brutaler Vergewaltigungen nachgegangen, Mrs. Duff. Sie wurden von drei Männern gemeinsam verübt. Die Männer haben Frauen vergewaltigt, die manchmal nicht älter als zwölf oder dreizehn Jahre waren, dann haben sie sie geschlagen, ihnen die Knochen gebrochen, sie getreten. Manchmal bis zur Besinnungslosigkeit.«
Entsetzen malte sich in Sylvestras Zügen ab. Sie starrte ihn an, als sei er ein Geist, der Grauen und Schmerz in ihren Salon getragen hatte.
»Die letzte der Vergewaltigungen wurde in St. Giles begangen in jener Nacht, in der Ihr Mann mit derselben Brutalität ermordet wurde«, sagte Monk sehr leise. »Es ist unmöglich, die Tatsache zu übersehen, daß er Rhys nach St. Giles gefolgt ist und ihn dort direkt nach dem Verbrechen gefunden hat. Es ist weniger als fünfzig Meter von der Stelle entfernt passiert, an der man seine Leiche fand.«
Sylvestra war aschfahl. »Was wollen Sie damit sagen?« flüsterte sie.
»Wir sind hier, um Rhys Duff für den Mord an seinem Vater, Leighton Duff, zu verhaften«, antwortete Monk.
»Sie können ihn nicht mitnehmen!« Es war Hester. Keiner von ihnen hatte
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