Stilles Echo
zurück, wobei er beinahe von der schmalen Bank gerutscht wäre. Sie versuchte, seine Hose zu schließen, bekam sie aber nicht richtig zu fassen. Sie hatte gerade noch Zeit, ihm seine Jacke umzuwerfen, als er mit flatternden Lidern die Augen öffnete.
»Rhys!« Sie erstickte beinahe an dem einen Wort, und die ganze Qual ihrer Gefühle schwang in ihrer Stimme mit.
Rhys keuchte und sog scharf den Atem ein. Er wehrte sich gegen sie, versuchte, nach ihr zu schlagen, sie wegzuschieben.
»Rhys!« Hester hielt seine Arme oberhalb der Schienen fest , und ihre Finger gruben sich in sein Fleisch. »Rhys, ich weiß, was Ihnen passiert ist! Es ist nicht Ihre Schuld! Sie sind nicht der einzige! Ich habe Soldaten gekannt, denen es passiert ist, tapfere Männer, Männer, die auf dem Schlachtfeld ihren Mut tausendfach bewiesen haben.«
Er begann so heftig zu zittern, daß sie ihn nicht mehr festhalten konnte. Die Wildheit seines Zorns erschütterte sie. Er schluchzte; es war ein verzweifeltes, heftiges Weinen, und Hester wiegte ihn in den Armen und strich ihm über den Kopf.
Es dauerte mehrere Sekunden, bis ihr klar wurde, daß sie ihn hören konnte. Sein Weinen hatte eine Stimme bekommen. Irgend etwas hatte ihm seine Sprache zurückgegeben, seine Verzweiflung vielleicht, der Sturz oder das Bewußtsein, daß sie, Hester, Bescheid wußte.
»Was war es?« fragte sie drängend. »Sie müssen es mir sagen!« Obwohl sie sich selbst mit einem Gefühl quälender Kälte sicher war, daß sie es wußte. Es gab nur eine einzige Erklärung dafür, warum bisher niemand davon erfahren hatte, warum Corriden Wade es niemandem erzählt hatte, nicht ihr, nicht Rathbone. Es erklärte so vieles, Rhys’ Angst, seine Grausamkeit und die Zurückweisung seiner Mutter, sein Schweigen. Hester erinnerte sich mit einem Gefühl der Übelkeit an die Glocke, die von seinem Nachttisch auf die Kommode gestellt worden war, wo er sie nicht erreichen konnte.
»Ich werde Sie beschützen!« sagte sie grimmig. »Ich werde dafür sorgen, daß zu jeder Zeit entweder die Wärter oder ich bei Ihnen sein werden, das schwöre ich. Und jetzt sagen Sie es mir!«
Langsam, mit gequälten, stockenden Worten und flüsternd, als könne er es nicht ertragen, sich selbst sprechen zu hören, erzählte er ihr von der Nacht, in der sein Vater starb.
Die Tür wurde aufgerissen, und Corriden Wade stürzte herein. Er hatte seine Tasche in der Hand, sein Gesicht wirkte eingefallen, und seine Augen waren dunkel und voller Zorn. Die beiden Wärter kamen direkt hinter ihm und blieben unbeholfen und verlegen in der Tür stehen.
»Was machen Sie da, Miss Latterly?« fragte Wade scharf und ohne den Blick von Rhys’ weißem, angespannten Gesicht mit den wilden Augen abzuwenden. »Lassen Sie mich bitte mit meinem Patienten allein. Er ist offensichtlich zutiefst verstört.« Wade wandte sich an die Wärter. »Ich werde sauberes Wasser benötigen, mehrere Schalen und dazu Verbände. Vielleicht kann Miss Latterly diese Dinge holen. Sie wird wissen, was ich brauche…«
»Ich glaube nicht«, fiel Hester ihm abrupt ins Wort. Sie machte einige Schritte, so daß sie zwischen Rhys und Wade stand. Dann sah sie den Wärter an. »Würden Sie bitte Sir Oliver Rathbone holen, sofort. Mr. Duff möchte eine Aussage machen. Es ist von äußerster Wichtigkeit, daß Sie dies mit größtmöglicher Schnelligkeit erledigen.«
»Mr. Duff kann nicht sprechen«, entgegnete Wade voller Verachtung. »Diese Tragödie hat Ihre Nerven offensichtlich in Mitleidenschaft gezogen, Miss Latterly, was nicht weiter überraschend ist. Vielleicht führen Sie die Dame jetzt besser hinaus und sehen, ob Sie ihr…«
»Holen Sie Sir Oliver!« wiederholte Hester laut. Sie sah den Wärter eindringlich an. »Gehen Sie!«
Der Mann zögerte. Die Autorität des Arztes akzeptierte er. Er hätte immer den Befehl eines Mannes vor dem einer Frau befolgt.
»Holen Sie meinen Anwalt«, sagte Rhys heiser. »Ich möchte eine Aussage machen, bevor ich sterbe!«
Alles Blut wich aus Wades Gesicht.
Der Wärter hielt den Atem an. »Geh ihn holen, Joe«, sagte er schnell. »Ich werde hier warten.«
Der zweite Wärter machte auf dem Absatz kehrt und gehorchte.
Hester stand reglos da.
»Das ist ungeheuerlich!« begann Wade und wollte sich an Hester vorbeidrängen, aber der Wärter hielt ihn an der Schulter fest. Von Medizin verstand er nichts, aber von Aussagen auf dem Totenbett sehr wohl.
»Lassen Sie mich los!« befahl Wade wütend.
»Es
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