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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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vorstellen, der einen Menschen in einen ähnlichen Zustand versetzt hätte.
    »Na, dann erzähl diesem Herrn mal, was dir passiert ist, Nellie«, befahl Vida.
    »Das ist ein Bulle«, sagte Nellie ungläubig. Sie sah Monk mit tiefer Abneigung an.
    »Nein, ist er nicht«, widersprach Vida ihr. »Er war früher einer. Sie haben ihn rausgeworfen. Jetzt arbeitet er für jeden, der ihn bezahlt. Und heute sind wir das. Er wird rausfinden, wer die Mädchen hier herum halbtot schlägt, damit wir der Sache ein Ende machen können.«
    »Ach ja?« fragte Nellie höhnisch. »Und wie will er das machen, bitteschön? Warum interessiert ihn das überhaupt?«
    »Wahrscheinlich interessiert es ihn gar nicht«, entgegnete Vida scharf. Nellies Begriffsstutzigkeit machte sie ungeduldig.
    »Aber er muß essen, genau wie wir anderen auch. Er wird tun, wofür wir ihn bezahlen. Was wir mit dem Bastard machen, wenn er ihn gefunden hat, geht ihn nichts mehr an.«
    Nellie zögerte immer noch.
    »Hör mal, Nellie.« Vida war drauf und dran, die Beherrschung zu verlieren. »Vielleicht bist du ja eins von diesen dämlichen Weibern, die sich gern grün und blau schlagen lassen, wahrhaftig!« Sie stemmte die Hände in ihre üppigen Hüften.
    »Aber würde es dir auch Spaß machen, wenn du dich nicht mehr auf die Straße traust, um dir was dazuzuverdienen? Du willst von dem leben, was du mit der Näherei verdienst, ja? Das ist genug für dich, wie?«
    Widerstrebend mußte Nellie einsehen, daß die andere recht hatte. Sie drehte sich zu Monk um, und ihr Gesicht war verzerrt vor Abneigung.
    »Erzähl mir, was passiert ist und wo es passiert ist«, verlangte Monk. »Fürs erste könntest du mir sagen, wo du warst und wieviel Uhr es war, zumindest schätzungsweise.«
    »Es war gestern vor drei Wochen«, antwortete Nellie und saugte dabei an einem abgebrochenen Zahn. »An einem Dienstagabend. Ich war in der Fetter Lane. Ich hatte gerade einem Herrn auf Wiedersehen gesagt, der zurück nach Norden gegangen war. Ich habe mich umgedreht, um nach Hause zu gehen, und da sah ich einen anderen Herrn. Trug einen guten, schweren Mantel und hatte einen Zylinder auf. Er sah nach Geld aus, und er hing da rum, als wollte er was. Also bin ich zu ihm hin und habe mein Sprüchlein aufgesagt. Ich dachte, vielleicht gefalle ich ihm.« Sie hielt inne und wartete auf Monks Reaktion.
    »Und war es so?« fragte er.
    »Ja. Jedenfalls hat er das gesagt. Bloß, als wir dann anfingen, wird er plötzlich grob und fängt an, auf mich einzuschlagen, obwohl ich ja wollte. Bevor ich auch nur schreien konnte, stand plötzlich noch ein Herr vor mir. Und der ist dann auch auf mich los.« Sie betastete zaghaft ihr Auge. »Er hat mich geschlagen, der Kerl. Schlimm geschlagen. Ich wäre fast ohnmächtig geworden. Dann haben er und der erste Herr mich festgehalten und genommen, einer nach dem anderen. Und danach hat dann einer von ihnen, ich weiß nicht mehr, welcher, weil sich mir mittlerweile alles drehte und ich vor Schmerz halb bewußtlos war, die Zähne ausgeschlagen. Und gelacht haben sie, wie die Irren. Ich sage Ihnen, ich war halbtot vor Angst.«
    Wenn man ihr Gesicht sah, fiel es nicht weiter schwer, das zu glauben. Allein die Erinnerung daran hatte sie erbleichen lassen.
    »Kannst du mir irgend etwas über die beiden Männer sagen?« fragte Monk. »Irgend etwas, einen Geruch, eine Stimme, eine bestimmte Art von Stoff?«
    »Was?«
    »Der Geruch«, wiederholte er. »Kannst du dich an irgendeinen Geruch erinnern? Du bist diesen Männern schließlich ganz nahe gewesen.«
    »Was für ein Geruch soll das gewesen sein?« Nellie sah ihn verwirrt an.
    »Irgendeiner. Denk nach!« Er bemühte sich, sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Gab sie sich mit Absicht so begriffsstutzig? »Männer arbeiten zum Beispiel an verschiedenen Stellen«, erklärte er. »Einige arbeiten mit Pferden, andere mit Leder, wieder andere mit Fischen oder Wolle oder Hanfballen. Haben Sie zum Beispiel nach Salz gerochen? Schweiß? Whisky?«
    Sie schwieg.
    »Also?« fuhr Vida sie an. »Denk nach! Was ist los mit dir? Möchtest du nicht, daß man diese Bastarde findet?«
    »Doch! Und ich denke ja nach«, protestierte Nellie. »Ich habe bei keinem von ihnen irgendwas von diesen Sachen gerochen. Der eine hat gerochen, als hätte er was getrunken, was wirklich Starkes, aber es muß was gewesen sein, was ich selbst noch nie getrunken habe. Hat scheußlich gerochen.«
    »Und der Stoff«, hakte Monk nach. »Hast du den

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