Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
lassen und in meinen Salon mitgenommen, eine nach der anderen, und ich habe alles aus ihnen rausgeholt. Ich erzähle Ihnen, was ich weiß.«
    »Sie sollten mir die Sache besser in der richtigen Reihenfolge berichten, Mrs. Hopgood. Das wird uns einige Zeit sparen.«
    »Natürlich! Was denken Sie, was ich vorhatte? Ihnen das zu erzählen, so wie sie es mir erzählt haben? Da säßen wir aber die ganze verdammte Nacht hier. Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit, selbst wenn’s bei Ihnen anders wäre. Ich nehme an, Sie berechnen nach Stunden. Tun die meisten.«
    »Ich rechne nach Tagen ab. Aber erst, wenn ich den Fall übernommen habe. Falls ich es tue.«
    Ihr Gesicht verhärtete sich. »Was wollen Sie von mir – mehr Geld?«
    Er sah die Furcht hinter ihrem Trotz. Hinter all ihrer Unverfrorenheit und der gespielten Großtuerei, mit der sie ihn zu beeindrucken versuchte, war sie eingeschüchtert, verletzt und wütend. Hier ging es nicht um eins der vertrauten Ärgernisse, mit denen sie es ihr Leben lang zu tun gehabt hatte, hier ging es um etwas, mit dem sie nicht umzugehen wußte.
    »Nein«, fiel er ihr ins Wort, gerade als sie weitersprechen wollte. »Ich werde nur nicht behaupten, daß ich Ihnen helfen könnte, wenn ich es nicht kann. Erzählen Sie mir, was Sie in Erfahrung gebracht haben. Ich werde zuhören.«
    Vida war zumindest teilweise beschwichtigt. Also lehnte sie sich wieder in ihrem Sessel zurück und ordnete ihre Röcke um ihre außerordentlich reizvolle Gestalt.
    »Einige unserer respektableren Frauen machen schwere Zeiten durch und wollen sich auf keinen Fall verkaufen, komme, was da wolle!« fuhr sie fort. »Sie würden lieber verhungern, bevor sie auf die Straße gehen. Aber es ist erstaunlich, wie schnell man seine Meinung ändern kann, wenn die Kinder halb verhungert und krank sind. Man braucht sie nur lange genug vor Kälte und Hunger weinen zu hören, und plötzlich ist man bereit, sich an den Teufel persönlich zu verkaufen, wenn er einem bloß Brot und Kohlen für das Feuer gibt oder eine Decke oder ein Paar Stiefel. Es ist ja schön und gut, eine Märtyrerin zu sein, aber zuzusehen, wie die eigenen Kinder sterben, das ist doch was anderes.«
    Monk widersprach ihr nicht. Sein Wissen um diese Dinge ging tiefer als jede persönliche Erinnerung; es war etwas, das ihm in Fleisch und Blut übergegangen war.
    »Ich hätte mir ja nichts dabei gedacht«, sagte sie achselzuckend. Sie beobachtete ihn immer noch genau, als wolle sie sehen, wie er reagierte. »Aber dann kam eine Frau von Kopf bis Fuß voller blauer Flecken und Schrammen zur Arbeit, als hätte man sie böse zusammengeschlagen. Wie gesagt, zuerst bin ich einfach davon ausgegangen, daß ihr Mann sie geschlagen hatte. Ich hätte es durchaus verstanden, wenn sie mit einem Glasscherben auf ihn losgegangen wäre. Aber sie sagte, es wären zwei Männer gewesen, Kunden von ihr. Sie hätte die beiden auf der Straße aufgelesen und wäre für eine paar schnellverdiente Schillinge mit ihnen in eine dunkle Gasse, wo sie sie dann geschlagen hätten. Sie haben sie mit Gewalt genommen, obwohl sie durchaus willig war, Sie verstehen schon.« Vida biß sich auf ihre volle Unterlippe. »Sind immer welche dabei, die es ein wenig rauh mögen, aber das ging darüber hinaus. Das waren echte Hiebe. Ich meine, sie hat nicht nur ein paar Schrammen abbekommen, sie ist wirklich verletzt worden.«
    Monk wartete ab. Er sah in ihren Augen, daß da noch mehr kommen würde. Eine Vergewaltigung einer einzigen Prostituierten war nicht mehr als ein Mißgeschick. Vida mußte genausogut wissen wie er, daß man gegen diese Dinge nichts tun konnte, so häßlich und ungerecht es war.
    »Sie war nicht die einzige«, nahm sie ihren Bericht wieder auf. »Es geschah ein zweites Mal, einer anderen Frau, und dann wieder. Mit jedem Mal wurde es schlimmer. Es sind jetzt insgesamt sieben, Mr. Monk, von denen ich weiß. Die letzte Frau ist halbtot geschlagen worden. Sie haben ihr die Nase und den Kiefer gebrochen, und sie hat fünf Zähne verloren. Niemand sonst kümmert sich darum. Die Polizei wird uns nicht helfen. Die denken doch, Frauen, die sich verkaufen, verdienen es nicht besser.« Monk sah, wie ihr Körper sich unter dem dunklen Stoff verkrampfte. »Aber niemand verdient es, so zusammengeschlagen zu werden. Es ist für die Frauen gefährlich geworden, sich ein bißchen was nebenbei zu verdienen, obwohl sie es dringend brauchen. Wir müssen die Männer, die das tun, finden, und dazu

Weitere Kostenlose Bücher