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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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konzentrieren. »Worüber machst du dir Sorgen?«
    »Worüber mache ich mir Sorgen?«, sagte sie.
    Er formulierte die Frage zu einem Befehl um: »Sag mir, worüber du dir Sorgen machst!«
    Sie zögerte, und er wiederholte den Befehl, worauf sie sagte:
    »Das Video.«

35. Kapitel
    Valets Nackenfell glättete sich. Er hörte auf zu knurren und wurde wieder zu dem schwanzwedelnden, sanftmütigen Hund, als den man ihn kannte. Nachdem er seine Streicheleinheit eingefordert hatte, trottete er zu seinem Lager zurück, wo er eindöste, als hätte ihn nie etwas aus der Ruhe gebracht.
    Auf ihr eigenes Beharren hin an Händen und Füßen gefesselt und nicht minder ruhiggestellt von drei Schlaftabletten, lag Martie beängstigend still und reglos da. Von Zeit zu Zeit beugte sich Dusty besorgt über sie, und legte sich erst wieder zurück, wenn er ihre leisen Atemzüge hörte.
    Obwohl er damit gerechnet hatte, die ganze Nacht wach zu liegen, und darum die Nachttischlampe nicht ausgeknipst hatte, schlief er irgendwann ein.
    Ein Traum fädelte sich in seinen Schlaf und verwob Schrekken und Absurdität zu einer surrealen Geschichte, die zwar beunruhigend war, aber auch völlig unsinnig.
    Er liegt vollständig angekleidet, aber ohne Schuhe, auf der Zudecke seines Betts. Valet ist nicht da. Auf der anderen Seite des Zimmers sitzt Martie in Lotushaltung auf der großen Lammfellunterlage des Hundes, völlig reglos, die Augen geschlossen, die Hände wie in tiefer Meditation im Schoß verschränkt.
    Er ist mit Martie allein im Zimmer, spricht aber mit einer anderen Person. Obwohl er spürt, wie er die Lippen bewegt, und den Hall der eigenen Stimme – tief, hohl, belegt – in seinem Schädelgewölbe hört, kann er kein einziges Wort von dem, was er sagt, verstehen. Die Pausen, die er beim Sprechen macht, deuten darauf hin, dass er kein Selbstgespräch führt, sondern sich mit jemandem unterhält, aber er kann keine andere Stimme, kein Murmeln, nicht einmal das leiseste Flüstern hören.
    Draußen vor dem Fenster zerschneiden Blitze die Nacht, aber kein Donner grollt gegen die klaffenden Wunden an, und kein Regen rauscht auf das Dach. Nur einmal ist ein Geräusch zu hören, als ein großer Vogel, der so dicht am Fenster vorbeifliegt, dass sein Flügel die Scheibe streift, einen heiseren Schrei ausstößt. Obwohl sich das Tier nur den Bruchteil einer Sekunde in seinem Blickfeld befindet, weiß Dusty aus irgendeinem Grund, dass es ein Reiher ist. Der Schrei, den er von sich gibt, scheint sich im nächtlichen Dunkel im Kreis zu bewegen, wird erst leiser, dann wieder lauter, schwächt sich ab und ist dann wieder ganz nah. Er bemerkt, dass er im linken Arm eine Infusionsnadel stecken hat. Ein Schlauch führt in Schlangenlinien von der Nadel zu einem durchsichtigen Plastikbeutel, der prall gefüllt ist mit einer Traubenzuckerlösung und an einer zum provisorischen Infusionsgestell umfunktionierten Halogenstehlampe hängt. Wieder zuckt ein Blitz auf, und in seinem flimmernden Schein fliegt der riesige Reiher am Fenster vorbei. Sein Schrei folgt dem Blitz in die Dunkelheit. Dustys rechter Ärmel ist höher aufgerollt als der linke, weil sein Blutdruck gemessen wird, die Manschette des Blutdruckmessers ist locker um seinen Oberarm geschlossen. Ein schwarzer Gummischlauch verbindet die Manschette mit dem Aufpumpball, der wie schwerelos in der Luft schwebt. Seltsamerweise wird der Ball, wie von einer unsichtbaren Hand geführt, rhythmisch zusammengedrückt und dehnt sich wieder aus, während sich die Manschette um den Oberarm immer fester zusammenzieht. Wenn sich eine dritte Person im Raum befindet, muss dieser namenlose Besucher die Kunst des Unsichtbarmachens beherrschen.
    Ein neuerlicher Blitz flammt auf, aber diesmal nicht in der Dunkelheit vor dem Fenster, er nimmt vielmehr seinen Anfang und sein Ende im Zimmer selbst. Vielbeinig, behende, von Lichtgeschwindigkeit auf katzengleiche Schnelligkeit verlangsamt, fährt er so, wie er sonst aus einer Wolke schießt, zischend aus der Zimmerdecke, springt auf einen Aluminiumbilderrahmen über, von dort auf das Fernsehgerät und schließlich auf die zweckentfremdete Lampe, wo er seine grellen Zähne knirschend und funkensprühend in das Messing schlägt.
    Im unmittelbaren Gefolge des zuckenden Blitzes rauscht der große Reiher heran, der durch das geschlossene Fenster oder die massive Steinmauer in das Schlafzimmer gekommen sein muss. Er öffnet den schwertgleichen Schnabel zu einem schrillen Schrei. Er

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