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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Ich war herausgesiebt und beiseite gestellt wie die festen Bestandteile, die ein Koch aus der Suppe schöpft, um eine Bouillon daraus zu machen, und ihr Geist war nun wie eine klare Flüssigkeit, die darauf wartete, von Ahriman nach dessen eigenem Rezept gewürzt zu werden.
    »Du wirst vergessen, dass dein Vater heute Nacht hier war«, sagte er. »Dass du sein Gesicht gesehen hast, wo du meins hättest sehen müssen, dass du seine Stimme gehört hast, wo du meine hättest hören müssen, diese Erinnerungen sind jetzt Staub, ja, weniger als Staub, in alle Winde verweht. Ich bin nicht dein Vater, sondern dein Arzt. Sag mir, wer ich bin, Susan!«
    Ihr leises Flüstern klang so dumpf, als würde es aus einer tiefen Gruft nach oben dringen. »Dr. Ahriman.«
    »Wie immer wirst du keinerlei abrufbare Erinnerung daran haben, was sich zwischen uns abgespielt hat, absolut keine dir zugängliche Erinnerung daran, dass ich heute Nacht hier war.«
    Bei allem Bemühen konnte er nicht verhindern, dass irgendwo, vielleicht in unbekannten Gefilden jenseits des Unterbewussten, Erinnerungen hängen blieben. Andernfalls hätte sie keine Scham empfinden können, weil die Demütigungen, die ihr in dieser und in anderen Nächten zugefügt worden waren, völlig aus ihrem Gedächtnis gelöscht worden wären. Ihre nachklingenden Schamgefühle bewiesen in den Augen des Arztes die Existenz eines Unter-Unterbewusstseins – einer Ebene, die noch unterhalb des unbewussten Es lag –, in dem das Erlebte eine unauslöschliche Spur hinterließ. Dieser tiefste Winkel des Gedächtnisses war nach Ahrimans Überzeugung praktisch unzugänglich und damit keine Gefahr für ihn; es reichte, wenn er alle Erinnerungen aus dem Bewusstsein und dem Unterbewusstsein löschte.
    Es mochte Menschen geben, die in diesem UnterUnterbewusstsein den Sitz der Seele vermuteten. Der Arzt gehörte nicht zu ihnen.
    »Wenn du dennoch Grund zu der Annahme hast, dass du sexuell missbraucht worden bist, wegen eines wunden Gefühls oder irgendwelcher anderer Anzeichen, so wirst du keinen anderen in Verdacht haben als deinen treulosen Ehemann Eric. Sag mir jetzt, ob du das, was ich gerade gesagt habe, voll und ganz verstehst oder nicht.«
    »Ich verstehe es.« Ein REM-Anfall begleitete ihre Antwort, als würden die verbotenen Erinnerungen durch die Augäpfel aus ihr herausgeschüttelt.
    »Aber es ist dir strengstens verboten, Eric etwas von deinem Verdacht mitzuteilen.«
    »Strengstens verboten. Ich verstehe.«
    »Gut.«
    Ahriman gähnte. So viel Spaß ihm das Spielen auch machte, wurde seine Freude daran doch immer durch die Tatsache getrübt, dass er hinterher die Spielsachen wegräumen und das Zimmer wieder in Ordnung bringen musste. Auch wenn ihm bewusst war, dass Ordnung und Sauberkeit sein mussten, empfand er als Erwachsener das Aufräumen immer noch genauso als Zeitverschwendung wie als kleiner Junge.
    »Bring mich bitte in die Küche«, forderte er Susan auf, wobei er zwischen den Worten immer wieder gähnte.
    Anmutig und würdevoll, ungeachtet der groben Behandlung, die sie hatte über sich ergehen lassen müssen, bewegte sich Susan mit der fließenden Geschmeidigkeit eines hellen KoiFischs in einem mitternächtlichen Gartenteich.
    In der Küche sagte Ahriman, der so durstig war, wie man es nach einem langen, komplizierten Spiel nur sein konnte: »Sag mir, was für ein Bier du im Haus hast.«
    »Tsingtao.«
    »Mach mir eine Flasche davon auf.«
    Sie holte ein Bier aus dem Kühlschrank, suchte im Dunkeln in der Schublade nach einem Öffner und schnippte dann den Kronkorken von der Flasche.
    Der Arzt achtete sorgfältig darauf, in der Wohnung möglichst keine Flächen zu berühren, auf denen er Fingerabdrücke hinterlassen konnte.
    Er hatte sich noch nicht entschieden, ob Susan von eigener Hand sterben sollte, wenn er keine Verwendung mehr für sie hatte. Falls er zu dem Schluss kam, dass ein Selbstmord unterhaltsam genug war, würde ihr langer, aussichtsloser Kampf gegen die Agoraphobie ein überzeugendes Motiv liefern, und ein von ihr persönlich geschriebener Abschiedsbrief würde dafür sorgen, dass der Fall ohne weitere polizeiliche Untersuchung zu den Akten gelegt wurde. Aber viel wahrscheinlicher war es, dass sie eine Rolle in dem noch spannenderen Spiel mit Martie und Dusty übernehmen würde, das seinen Höhepunkt in einem Massaker in Malibu finden sollte.
    Weitere Varianten sahen vor, dass sie von ihrem Mann oder sogar von ihrer besten Freundin ermordet wurde. Wenn

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