Stimmen der Angst
Eric sie umbrachte, würde zwangsläufig die Mordkommission Ermittlungen aufnehmen – selbst wenn er die Polizei vom Tatort aus anrief, ein Geständnis ablegte, sich das Hirn wegblies, tot neben der Leiche seiner Frau umfiel und alle kriminalistischen Beweisstücke darauf hindeuteten, dass der Tragödie ein erbitterter Ehestreit vorausgegangen war. Dann würden die Leute von der Spurensicherung mit ihren unmöglichen Frisuren und ihren Plastikbeuteln anrücken und mit Pulvern, Jod, Silbernitrat- und Ninhydrinlösungen, Cyanacrylatdämpfen oder gar mit in Methanol gelöstem Rhodamin 6G und einem Argon-IonenLaser nach Fingerabdrücken suchen. Hatte Ahriman auch nur einen einzigen Fingerabdruck an einer Stelle hinterlassen, an der es diesen peniblen Langweilern einfiel zu suchen, würde dies sein Leben verändern, und zwar nicht zum Guten.
Seine Freunde, die an den richtigen Stellen saßen, würden vielleicht dafür sorgen, dass man ihm nicht ohne weiteres den Prozess machen konnte. Beweisstücke würden verschwinden oder manipuliert werden. Kriminalbeamte und Ermittler der Staatsanwaltschaft würden schlampige Arbeit leisten, und denjenigen Quertreibern, die darauf bestanden, eine seriöse Untersuchung zu führen, würde das Leben schwer oder gar zur Hölle gemacht werden durch Probleme und tragische Zwischenfälle, die scheinbar in keinerlei Zusammenhang mit Dr. Ahriman standen.
Allerdings konnten ihn seine Freunde nicht davor bewahren, unter Verdacht zu geraten, und sie konnten ihn auch nicht vor den Gerüchten schützen, die eine lüsterne Sensationspresse über ihn verbreiten würde. Er würde zu fragwürdigem Ruhm gelangen. Und das kam absolut nicht in Frage. Eine solche Art von Ruhm war nicht mit seinem Stil vereinbar.
Als Susan ihm die Flasche Tsingtao reichte, bedankte er sich, und sie sagte: »Bitte sehr.«
Der Arzt war der Meinung, dass man niemals, unter keinen Umständen, seine guten Manieren vergessen durfte. Das Spiel um Sitte und Anstand ist die größte aller Herausforderungen, ein herrlich kompliziertes Gesellschaftsturnier, in dem es darum geht, gut abzuschneiden, damit man die Konzession erwirbt, seinen heimlichen Vergnügungen nachzugehen; nur wer die Regeln dieses Spiels – Benimm und Etikette – beherrscht, kann es zur Meisterschaft bringen.
Höflich begleitete Susan ihn zur Tür, wo er innehielt, um ihr seine letzten Instruktionen für die Nacht zu geben. »Bestätige bitte, dass du mir zuhörst, Susan.«
»Ich höre dir zu.«
»Sei ganz ruhig.«
»Ich bin ruhig.«
»Sei gehorsam.«
»Ja.«
»Der Wintersturmwind …«
»Der Sturmwind bist du«, antwortete sie.
»… verbarg sich im Bambushain …«
»Der Hain bin ich.«
»… und dann war es still.«
»In der Stille werde ich erfahren, was getan werden muss«, sagte Susan.
»Wenn ich weg bin, wirst du die Küchentür schließen, die Sicherheitsschlösser verriegeln und den Stuhl genauso unter die Klinke klemmen, wie er vorher war. Du wirst wieder zu Bett gehen, dich hinlegen, die Lichter ausmachen und die Augen schließen. Dann wirst du in Gedanken die Kapelle verlassen, in der du dich jetzt befindest. Wenn du die Tür der Kapelle hinter dir zumachst, wirst du dich nicht mehr erinnern können, was zwischen dem Zeitpunkt, als du meine Stimme am Telefon gehört hast, und dem Aufwachen in deinem Bett passiert ist – jedes Geräusch, jedes Bild, jede Sekunde, jede Kleinigkeit wird unwiderruflich aus deiner Erinnerung gelöscht sein. Du wirst dann die Stufen hinaufsteigen und bis zehn zählen, und wenn du bei zehn angekommen bist, wirst du dein Bewusstsein vollständig wiedererlangt haben. Wenn du die Augen öffnest, wirst du glauben, dass du aus einem erholsamen Schlaf erwacht bist. Ich möchte, dass du mir bestätigst, ob du alles verstehst, was ich dir gesagt habe.«
»Ich verstehe es.«
»Gute Nacht, Susan.«
»Gute Nacht«, sagte sie, während sie ihm die Tür aufhielt.
Er trat auf den Treppenabsatz hinaus und flüsterte: »Vielen Dank.«
»Bitte sehr.«
Leise schloss sie die Tür.
Wie eine feindliche Armada, ausgesandt, um denen, die friedlich in ihrem behaglichen Heim schliefen, alle weltlichen Erinnerungen zu stehlen, näherten sich vom Meer her Galeonen dichter Nebelschwaden, die zuerst die Farben, dann die Tiefe, die Konturen und Formen verschluckten.
Man hörte, wie auf der anderen Seite der Tür die Sicherheitskette in den Schlitz der Metallplatte geschoben wurde.
Die erste Verriegelung schnappte ins Schloss,
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