Stimmen der Angst
Mal starr vor Schreck, wenn Dusty in ihre Nähe kam. Sie war immer noch davon überzeugt, dass sie imstande war, ihm aus heiterem Himmel die Augen auszukratzen, die Nase abzubeißen und die Lippen zu zerfetzen, um sich ein höchst ungewöhnliches Frühstück zu genehmigen.
Aus einer Entfernung, die ihr gerade noch annähernd sicher erschien, sah Dusty ihr zu, wie sie sich auszog, um zu duschen, und er fand das noch schlaftrunkene, laszive Gesicht, das sie dabei machte, sehr anziehend. »Sehr erotisch, wirklich heiß! Mit dem Blick könntest du einen Mann dazu bringen, barfuß über ein mit Nägeln gespicktes Fußballfeld zu rennen.«
»Ich fühle mich alles andere als erotisch«, sagte sie mit rauchiger Stimme. Dabei zog sie ohne jede Berechnung, aber mit umso beeindruckenderer Wirkung einen Schmollmund. »Ich fühle mich wie Vogelscheiße.«
»Komisch.«
»Ich finde mich kein bisschen komisch«, sagte sie, während sie ihre Unterwäsche abstreifte.
»Ich habe nicht dich, sondern deine Wortwahl gemeint«, sagte er. »Warum ausgerechnet Vogel scheiße?«
Sie gähnte. »Habe ich das gesagt?«
»Ja.«
»Keine Ahnung. Vielleicht, weil ich das Gefühl habe, aus großer Höhe einen Haufen Mist hinter mir zu verbreiten.«
Beim Duschen wollte Martie nicht allein sein.
Dusty wartete an der Badzimmertür, bis sie die Badematte auf den Boden gelegt, die Tür der Duschkabine geöffnet und die richtige Wassertemperatur eingestellt hatte. Nachdem sie in die Duschkabine gestiegen war, kam er näher und setzte sich auf den geschlossenen Klosettdeckel.
Während sie sich einzuseifen begann, sagte Dusty: »Wir sind jetzt seit drei Jahren verheiratet, aber ich komme mir vor wie in einer Peepshow.«
Den Gegenständen, mit denen sie hantierte – ein Stück Seife, eine Plastikflasche mit Shampoo und eine Tube Cremespülung – fehlte so offensichtlich jedes mörderische Potenzial, dass sie ihr Duschbad unbehelligt von Angst und Schrecken beenden konnte.
Nachdem er den Föhn aus einer der Waschtischschubladen geholt und den Stecker in die Dose gesteckt hatte, zog sich Dusty wieder zur Tür zurück.
Martie sträubte sich dagegen, den Föhn zu benutzen. »Ich werde es nur mit dem Handtuch abrubbeln und an der Luft trocknen lassen.«
»Dann kräuselt sich dein Haar wieder und du meckerst den ganzen Tag herum, weil du dich hässlich findest.«
»Ich meckere nicht.«
»Na gut, und du jammerst natürlich auch nicht.«
»Sehr richtig, das tue ich nicht.«
»Aber ein bisschen beschweren tust du dich doch schon, oder?«, sagte er.
»Einverstanden. Das gebe ich zu.«
»Du beschwerst dich also den ganzen Tag. Warum willst du den Föhn nicht benutzen? Er ist völlig ungefährlich.«
»Keine Ahnung. Er sieht aus wie eine Pistole.«
»Es ist aber keine Pistole.«
»Ich habe nicht behauptet, dass meine Ängste rational sind.«
»Ich verspreche dir, dass ich es nicht stillschweigend über mich ergehen lasse, wenn du das Ding auf Stufe drei stellst und versuchst, mich damit zu Tode zu föhnen.«
»Mistkerl.«
»Das war dir schon bekannt, als du mich geheiratet hast.«
»Es tut mir Leid.«
»Was?«
»Dass ich Mistkerl zu dir gesagt habe.«
Er zuckte die Achseln. »Du kannst zu mir sagen, was du willst, solange du mich am Leben lässt.«
Eine Gasflamme wäre neben dem zornlodernden Blau ihrer Augen verblasst. »Das finde ich nicht witzig.«
»Ich weigere mich einfach, Angst vor dir zu haben.«
»Das solltest du aber«, sagte sie fast anklagend.
»Abgelehnt.«
»Du dummer, sturer … Mann.«
»Mann. Ha! Der Gipfel der Beleidigung. Pass auf, wenn du so etwas noch ein einziges Mal zu mir sagst … Also, es könnte das Ende unserer Beziehung sein.«
Martie warf ihm einen bösen Blick zu, bevor sie widerwillig die Hand nach dem Föhn ausstreckte. Gleich darauf zog sie die Hand ruckartig wieder zurück. Sie versuchte es noch einmal, schreckte wieder unwillkürlich zurück und begann, weniger vor Wut als aus Hilflosigkeit und stummer Verzweiflung, zu zittern.
Sie sah aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Dusty musste daran denken, wie sich ihm am gestrigen Abend beim Anblick ihrer Tränen der Magen zusammengezogen hatte.
»Lass mich mal«, sagte er und trat zu ihr.
Sie wich vor ihm zurück. »Bleib weg.«
Er nahm ein Handtuch vom Halter und hielt es ihr hin. »Stimmst du mir wenigstens zu, dass dieses Handtuch nicht gerade die ideale Waffe für eine mordgierige Wahnsinnige wäre?«
Ihr Blick wanderte so
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