Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
ein leises Unbehagen spüren, ein leichtes Gefühl der Verletzlichkeit. Im Abstand von jeweils einer Stunde wirst du heftigere Angstattacken erleben, die aber zunächst höchstens zwei Minuten anhalten. Später jedoch, sagen wir, so gegen neun Uhr, wird dich die schlimmste Panikattacke überfallen, die du bislang erlebt hast. Sie wird sich so entwickeln und zuspitzen, wie du es schon kennst … aber plötzlich werden die Bilder von den gequälten und ermordeten Menschen vor dir auftauchen, die du dir gemeinsam mit mir angesehen hast, von den mit Stich- und Schusswunden übersäten und verstümmelten Leichen, von den verwesenden Kadavern, und gegen alle Vernunft wirst du davon überzeugt sein, dass du für das verantwortlich bist, was ihnen angetan wurde, dass du selbst sie gequält und ermordet hast. Mit deinen eigenen Händen. Sag mir, ob du verstehst, was ich gerade gesagt habe.«
    »Mit meinen Händen.«
    »Die Ausgestaltung des großen Moments überlasse ich dir. Das Ausgangsmaterial dafür hast du bekommen.«
    »Ich verstehe.«
    Augen voller Glut. Schmorend im Sud des Eros. Saftiges Kotelett.
    Ein Haiku mit kulinarischer Symbolik. Nicht gerade die Art von Versen, die ein Meister der japanischen Dichtkunst gutgeheißen hätte, aber obwohl der Arzt großen Respekt für den strengen formalen Aufbau des Haiku hatte, betrachtete er sich doch auch als einen so freien Geist, dass er von Zeit zu Zeit seinen eigenen Regeln folgte.
    *
    Dusty war in die Geschichte von Dr. Yen Lo und seinem fanatischen Team kommunistischer Gehirnwäsche-Experten vertieft, die ihr Unwesen mit dem Bewusstsein unglücklicher US-Soldaten trieben, als er völlig unvermittelt hervorstieß: »Verdammt, was hat das denn zu bedeuten?«, womit er auf die Tatsache anspielte, dass er dieses Buch in den Händen hielt.
    Fast hätte er den Botschafter der Angst quer durch das Wartezimmer geschleudert, konnte sich aber gerade noch bremsen und ließ es stattdessen auf den Beistelltisch neben dem Sessel fallen und schüttelte dann seine Rechte, als hätte er sich an dem Buch verbrannt.
    Er sprang auf und starrte auf das verdammte Ding. Hätte ein böser Zauberer das Buch in eine Klapperschlange verwandelt, sein Schreck und sein Entsetzen hätten nicht größer sein können.
    Als er es endlich wagte, den Blick von dem Buch abzuwenden, sah er zur Praxistür hinüber. Geschlossen. Sie sah aus, als wäre sie schon immer und seit jeher geschlossen. Ehrfurcht gebietend wie ein Monolith.
    Das Knirschen des Hebels, das Klicken der Verriegelung: Beide Geräusche hatte er deutlich gehört. Verlegenheit, Schreck, Scham, die Ahnung einer drohenden Gefahr. Diese und andere unerklärliche Gefühle waren durch ihn hindurch gefahren wie ein elektrischer Funke, der knisternd von einem Drahtende zum nächsten übersprang: Du darfst dich nicht mit diesem Buch in der Hand ertappen lassen! Instinktiv hatte er es auf den Tisch geworfen, und weil dieser eine Oberfläche aus glatt poliertem Granit hatte, war es darüber gerutscht und zu Boden gefallen. Die Tür hatte ihr Vakuum-Plopp-Stöhnen von sich gegeben, und er war eben im Begriff gewesen aufzuspringen, als das Buch mit einem klatschenden Geräusch auf den Boden geplumpst war, und dann …
    … und dann hielt er das Buch wieder in der Hand und las darin, saß im Sessel, als hätte es den Knirsch-Klick-PloppStöhn-Schreckensmoment nie gegeben. Vielleicht lief sein ganzes Leben von der Wiege bis ins Grab als Videofilm dort oben im Reich Gottes ab, wo ihn einer der himmlischen Cutter für ein paar Sekunden zurückgespult hatte, bis zu dem Augenblick, bevor ihn die Türgeräusche erschreckt hatten, und der Cutter hatte alle Ereignisse dieser Zeitspanne herausgeschnitten, dabei aber vergessen, auch seine Erinnerung daran zu löschen. Offensichtlich ein Anfänger, der noch viel zu lernen hatte.
    Magie. Dusty fielen die Fantasyromane in Skeets Wohnung ein. Zauberer, Hexenmeister, Geisterbeschwörer, Hellseher. Erlebnisse dieser Art konnten einen Menschen dazu bringen, an magische Kräfte zu glauben – oder am eigenen Verstand zu zweifeln.
    Er griff nach dem Buch, das ihm – zum zweiten Mal? – aus der Hand gefallen war, doch dann zögerte er und tippte es vorsichtig mit dem Zeigefinger an. Aber es begann weder zu fauchen, noch öffnete es ein Auge, um ihm zuzuzwinkern.
    Irritiert hob er es auf, drehte und wendete es in den Händen und ließ dann die Seiten über den Daumen streichen.
    Das Geräusch erinnerte ihn an das Mischen

Weitere Kostenlose Bücher