Stimmen der Angst
in einer Raumkapsel zugebracht hat. Als würde er aus einem Traum in die Wirklichkeit zurückkehren.
An der Tür angelangt, hakte sich Martie bei Dusty ein, und er sagte: »Es tut mir Leid, Martie. Ich fühle mich einfach … eigenartig.«
»Kein Problem. Du warst schon eigenartig, als ich dich geheiratet habe.«
51. Kapitel
Anders als in Dr. Ahrimans Sprechzimmer in der vierzehnten Etage hatte man vom Parkplatz aus keinen Blick auf den nahe gelegenen Pazifik. Darum konnte Dusty nicht sehen, ob das Meer immer noch so drohend und dunkel wirkte, wie er es dort oben empfunden hatte.
Der Himmel war schmutziggrau, lastete aber nicht mehr so schwer über der Erde, als wollte er den Tag des Jüngsten Gerichts ankündigen, und auch die von Menschenhand geschaffene Umgebung sah nicht mehr aus, als stünde der Weltuntergang bevor.
Aus der leichten Brise war ein kräftiger Wind geworden, der dürres Laub und hie und da einen Fetzen Papier über den Asphalt fegte.
Als sie im Wagen saßen, zeigte Martie zwar deutliche Anzeichen von Nervosität, aber sie war nicht annähernd so angespannt wie auf der Hinfahrt. Immer noch von einer nachtherapeutischen Aura umgeben, kramte sie aus dem Handschuhfach eine Rolle Schokoladenbonbons hervor, die sie eins nach dem anderen in den Mund steckte und genüsslich zerkaute. Offensichtlich hegte sie keinerlei Besorgnis, dass sie die Bonbons später, von Panikkrämpfen geschüttelt, keuchend und würgend, wieder von sich geben würde.
Dusty lehnte das Bonbon ab, das Martie ihm anbot, und zog das Buch aus der Tasche. »Woher hast du das?«, fragte er.
Mit einem flüchtigen Blick auf den Umschlag zuckte Martie die Achseln. »Hab ich irgendwo mitgenommen.«
»Hast du es gekauft?«
»Die Buchläden verschenken die Dinger nun mal nicht, weißt du.«
»In welchem Buchladen war das?«
»Was soll das?«, sagte Martie missmutig.
»Das erkläre ich dir später. Zuerst will ich aber wissen, in welcher Buchhandlung es war. Barnes and Noble? Oder bei dem Laden, wo du immer deine Krimis kaufst?«
Während sie eine ganze Weile lang kauend das Buch betrachtete, wurde ihre Miene immer nachdenklicher. »Ich weiß es nicht«, sagte sie schließlich.
»Also wirklich, du kaufst doch nicht jede Woche hundert Bücher in zwanzig verschiedenen Läden«, sagte er unwirsch.
»Ja, schon gut, aber ich habe nie behauptet, dein Gedächtnis zu haben. Kannst du dich denn nicht erinnern, wo ich es gekauft habe?«
»Sieht so aus, als wäre ich nicht dabei gewesen.«
Martie legte die Bonbonrolle ins Handschuhfach zurück und nahm Dusty das Buch aus der Hand. Sie schlug es weder auf, noch ließ sie die Seiten prüfend über den Daumen streichen, wie man es hätte erwarten können. Vielmehr fasste sie es mit beiden Händen, heftete den Blick auf die Umschlagseite und hielt es so fest, als wollte sie die Information über seine Herkunft aus ihm herausquetschen wie Saft aus einer Orange.
»Ich glaube, ich fahre lieber in die Klinik zurück und lasse mich auf vorzeitigen Alzheimer untersuchen«, sagte sie schließlich, gab Dusty das Buch zurück und griff wieder nach den Schokoladenbonbons.
»Vielleicht hat es dir jemand geschenkt«, sagte Dusty.
»Und wer, bitte schön?«
»Das frage ich dich.«
»Nein. Wenn es mir jemand geschenkt hätte, würde ich mich daran erinnern.«
»Warum hast du dir das Buch eben genommen, ohne es aufzuschlagen?«
»Warum sollte ich es aufschlagen? Davon erfahre ich auch nicht, wo ich es gekauft habe.« Sie hielt ihm die auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Länge zusammengeschrumpfte Bonbonrolle hin. »Hier. Du bist ein bisschen gereizt. Vielleicht ist dein Blutzuckerspiegel gesunken. Iss was Süßes.«
»Her damit! Martie, weißt du, um was es in dem Buch geht?«
»Klar. Es ist ein Thriller.«
»Und wovon handelt dieser Thriller?«
»Spannende Handlung, lebendig geschilderte Figuren. Ich genieße die Lektüre.«
»Aber worum geht es darin?«
Ihre Kaubewegungen wurden langsamer, während sie auf das Buch starrte. »Du kennst doch diese Thriller. Gerenne, halsbrecherische Sprünge, Verfolgungsjagden, Schießereien und immer wieder Gerenne.«
Dusty hatte das Gefühl, das Buch würde in seiner Hand plötzlich kälter werden. Und schwerer. Auch die Konsistenz hatte sich verändert: Der bunte Umschlag fühlte sich viel glatter an als zuvor. Als wäre es nicht einfach nur ein Buch. Mehr als ein Buch. Ein Amulett vielleicht, dessen Zauber jeden Moment zu wirken beginnen und ihn durch
Weitere Kostenlose Bücher