Stimmen der Angst
das Buch, das auf dem Armaturenbrett lag, fuhr sie fort: »Aber … Gehirnwäsche?«
Ihm war nur zu deutlich bewusst, wie absurd seine Vermutung klingen musste. Die Ereignisse der vergangenen vierundzwanzig Stunden rückten sie vielleicht in den Bereich des Möglichen, aber das machte sie nicht weniger grotesk. »Vielleicht, ja. Irgendetwas stimmt nicht mit uns. Irgendetwas … passiert mit uns.«
»Warum ausgerechnet wir?«
Dusty warf einen Blick auf seine Armbanduhr und sagte: »Wir müssen fahren. Ich habe eine Verabredung mit Ned.«
»Was hat Ned mit der Sache zu tun?«
»Nichts«, antwortete Dusty und ließ den Motor an. »Ich habe ihn nur gebeten, mir etwas zu besorgen.«
Als Dusty den Wagen rückwärts aus der Parklücke lenkte, sagte Martie: »Zurück zur Kardinalfrage. Warum wir? Warum passiert uns das?«
»Na schön, ich weiß, was du denkst. Ein Malermeister, eine Erfinderin von Videospielen und Skeet, der traurige Versager. Wer könnte ein Interesse daran haben, unser Bewusstsein zu beeinflussen, uns zu manipulieren?«
Sie nahm das Buch vom Armaturenbrett und sagte: »Warum wird der Typ in der Geschichte einer Gehirnwäsche unterzogen?«
»Sie machen aus ihm einen Mörder, dessen Spur nicht zu den Leuten zurückverfolgt werden kann, die ihn lenken.«
»Du, ich, Skeet … Mörder?«
»Bis zu dem Tag, an dem er John F. Kennedy erschossen hat, war Lee Harvey Oswald mindestens genauso ein Nichts wie du und ich.«
»Na, besten Dank!«
»Es ist aber so. Und bei Sirhan Sirhan. Und John Hickley.«
Gleichgültig, ob sich das Meer, wenn er es wieder sah, als düster und schwarz geädert erweisen wurde oder nicht, spürte Dusty, wie seine Stimmung jetzt, da sie sich von der Praxis des Therapeuten mit ihrer beruhigenden Atmosphäre entfernten, immer bedrückter wurde. Als er das Kassenhäuschen an der Parkplatzausfahrt erreichte, die durch eine gestreifte Schranke versperrt war, ging von dem kleinen Gebäude eine Bedrohung aus, als wäre es der Kontrollposten an irgendeinem gottverlassenen Grenzübergang im hintersten Winkel des Balkans, wo Reisende damit rechnen mussten, von uniformierten, mit Maschinengewehren bewaffneten Banditen ausgeraubt oder gar ermordet zu werden. Die Frau an der Kasse war eine freundliche Person – um die dreißig, hübsch, ein bisschen mollig, mit einer Schmetterlingsspange im Haar –, aber Dusty hatte die paranoide Vision, sie sei nicht das, was sie zu sein schien. Die Schranke ging hoch und Dusty bog vom Parkplatz in die Straße ein. Ihm kam es so vor, als müssten in jedem zweiten Wagen, dem sie begegneten, Menschen sitzen, die den Auftrag hatten, ihn zu beschatten.
52. Kapitel
Die hohen Palmen, die den Newport Center Drive säumten, schwenkten ihre windgepeitschten Wedel, als wollten sie Dusty mit seinem Wagen von der Straße scheuchen.
»Also gut«, sagte Martie. »Wenn irgendetwas dergleichen mit uns passiert ist … wer hat es getan?«
»In Botschafter der Angst sind es die Sowjets, die Chinesen und die Nordkoreaner.«
»Die Sowjetunion gibt es nicht mehr«, sagte Martie. »Und wir drei als Marionetten in einer raffinierten Verschwörung asiatischer Kommunisten – das Bild will mir irgendwie auch nicht in den Kopf.«
»Im Kino wären es wahrscheinlich Außerirdische.«
»Na toll«, sagte sie sarkastisch. »Dann können wir ja Fig Newton anrufen und aus seinem reichen Wissensschatz zu diesem Thema schöpfen.«
»Oder ein mächtiger Konzern, der entschlossen ist, uns alle zu hirnlosen, ferngesteuerten Verbrauchern zu machen.«
»Ich bin auch ohne deren Hilfe schon fast so weit«, sagte sie.
»Ein staatlicher Geheimdienst, eine politische Intrige, der Große Bruder, der einen beobachtet.«
»Das Letzte kommt der Wirklichkeit irgendwie zu nah, als dass es mich beruhigen würde. Aber noch einmal … warum ausgerechnet wir?«
»Wenn wir es nicht wären, müssten es andere sein.«
»Schwaches Argument.«
»Ich weiß«, sagte Dusty und wirkte dabei so frustriert wie eine ganze Klostergesellschaft zölibatärer Mönche.
Aus den dunklen Winkeln seines Bewusstseins blitzte ihm spöttisch eine andere Antwort entgegen, aber sie schimmerte so matt, dass er sie nicht klar erkennen konnte. Vielmehr entschlüpfte ihm der Gedanke jedes Mal, wenn er in die Schatten eintauchte, um ihn zu fassen.
Das Doppelbild von dem Wald fiel ihm ein, aus dem eine Stadt wurde, wenn sich die vordergründige Wahrnehmung des Betrachters änderte. Auch jetzt erlebte er eine Situation, in
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