Stimmen der Angst
praktizierender Psychiater als auch als Autor ungeheuer erfolgreich war, weil er ein beträchtliches Vermögen geerbt hatte und darum beneidet wurde, weil er Dummheit nicht ausstehen konnte, weil er seinen Medizinerkollegen mit ihrem selbstgerechten Moralkodex und ihren dogmatischen Ansichten, die er als beklemmend empfand, mehr Verachtung als Bewunderung entgegenbrachte, und aus einer Vielzahl anderer Gründe hatte er nur wenige Freunde, dafür aber umso mehr Feinde unter den Ärzten aller erdenklichen Fachrichtungen. Folglich wäre er überrascht gewesen, wenn der Internist der Rhodes’ nicht zu denen gehört hätte, die eine schlechte Meinung von ihm hatten. Die Tatsache, dass sie bei dem sich selbst beweihräuchernden Sankt Closterman in Behandlung waren, war für ihn auch nicht wesentlich unangenehmer, als wenn sie Patienten bei einem der anderen Ärzte gewesen wären, die Ahriman verächtlich als tatterige Stümper zu bezeichnen pflegte.
Was ihm dagegen echte Sorgen bereitete, war eine handschriftliche Notiz, die neben dem aufgerissenen Umschlag lag. Sie war auf Clostermans Briefpapier geschrieben und trug seine Unterschrift.
Meine Sprechstundenhilfe kommt auf dem Heimweg an Ihrem Haus vorbei, und ich habe sie gebeten, das Buch bei Ihnen abzugeben. Ich dachte, Sie könnten Dr. Ahrimans neuestes Werk interessant finden. Vielleicht haben Sie noch nie etwas von ihm gelesen.
Schon wieder ein Joker.
Dr. Ahriman faltete das Blatt Papier zusammen und steckte es in die Tasche.
Das Buch, auf das sich Closterman in seiner Notiz bezog, war nicht da. Wenn es wirklich sein neuestes Werk war, musste es sich um die Hardcoverausgabe von Lerne dich selbst lieben handeln.
Es gefiel dem Arzt, dass selbst seine Feinde dazu beitrugen, seine Tantiemen zu mehren.
Nach erfolgreicher Krisenbewältigung würde Ahriman sich allerdings mit Sankt Closterman beschäftigen müssen. Vielleicht konnte man das Haupt seines Lovers wieder ins Gleichgewicht bringen, indem man ihm auch das zweite Ohr abschnitt. Closterman selbst konnte man den Mittelfinger der rechten Hand entfernen und ihn so der Möglichkeit berauben, obszöne Gesten zu zeigen; ein Heiliger musste eigentlich dankbar sein, wenn man ihn von einem Finger befreite, der ein so unflätiges Potenzial in sich barg.
*
Das Feuerwehrauto – zwölf Zentimeter breit, zwölf Zentimeter hoch und dreißig Zentimeter lang – war aus Blech. Detailgetreu, handbemalt und von einer holländischen Firma gefertigt, der man den Stolz auf die handwerkliche Qualität ihrer Produkte anmerkte, hätte es jedes Kind begeistert.
Vor den Augen seiner Gäste, die sich wieder um den Esstisch versammelt hatten, schraubte Fig mit einem kleinen Schraubenzieher mit Viertelzollschneide die acht Messingschrauben auf, die das Fahrgestell samt Rädern mit der Karosserie verbanden.
Im Innern des Wagens befand sich ein kleiner Filzbeutel, wie man sie benutzte, um Schuhe für die Reise zu verpacken, damit sie im Koffer nichts beschmutzten oder beschädigten.
»Knarre«, sagte Fig.
Dusty reichte ihm den Colt.
Fig wickelte die Waffe in den Schuhbeutel ein, damit sie nicht gegen das Blech klappern konnte, und legte ihn in den Hohlraum im Innern des Feuerwehrautos. Da die Waffe klein und kompakt war, passte sie gerade hinein.
»Ersatzmagazin?«, fragte Fig.
»Ich habe keins«, sagte Dusty.
»Solltest du aber.«
»Hab halt keins.«
Fig schraubte Chassis und Karosserie wieder zusammen, klebte den kleinen Schraubenzieher mit Klebeband am Fahrzeugboden fest und reichte Dusty das Feuerwehrauto über den Tisch. »Jetzt können sie meinetwegen die Koffer durchleuchten.«
»Wenn man ihn auf die Seite legt, sind auf dem Röntgenschirm die Umrisse eines Spielzeugautos erkennbar«, sagte Martie mit Bewunderung in der Stimme.
»So ist es«, sagte Fig.
»Kaum einer würde einen Koffer öffnen, um so etwas näher in Augenschein zu nehmen.«
»Bestimmt nicht.«
»Wir könnten ihn sogar im Handgepäck mitnehmen«, sagte Dusty.
»Wäre sogar besser.«
»Besser?«, sagte Martie. »Ach so, stimmt, weil Gepäckstükke, die man aufgibt, ja manchmal verloren gehen.«
Fig nickte. »Genau.«
»Hast du das Ding überhaupt schon mal benutzt?«, fragte Skeet.
»Noch nie.«
»Wozu hast du es dann?«
»Nur so, für alle Fälle.«
Dusty betrachtete das Feuerwehrauto von allen Seiten. »Du bist schon ein seltsamer Mensch, Fester Newton«, sagte er dann.
»Danke«, sagte Fig. »Kevlar-Weste?«
»Wie bitte?«
»Kevlar.
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