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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und Unabhängigkeit entwickelt, wäre sie vermutlich spätestens mit elf eine hoffnungslose Neurotikerin gewesen. Aber es gab Schlimmeres in dieser Welt als den Wahnsinn der Liebe. Wahnsinnigen Hass beispielsweise. Und das nicht zu knapp. Und einfachen, schlichten Wahnsinn im Überfluss.
    Sabrinas Liebe für ihren Mann hatte der für ihre Tochter in nichts nachgestanden, und als Strahlebob im Alter von nur dreiundfünfzig Jahren gestorben war, hatte ihre ängstliche Sorge um Martie noch übertriebenere Formen angenommen. Dass ihr Mann und ihre Tochter aus unterschiedlicher Ursache jung sterben würden, mochte so unwahrscheinlich sein wie die Chance, dass die Erde bis zum nächsten Tag durch einen Asteroideneinschlag zerstört wurde, aber leblose Statistiken und versicherungsmathematische Berechnungen waren kein Trost für ein verwundetes, ängstliches Herz.
    Aus diesem Grund dachte Martie gar nicht daran, ihrer Mutter etwas von Gehirnwäsche oder Haikus, vom Blättermann oder dem Priester mit dem Schienennagel im Kopf, von abgetrennten Ohren und Flugreisen nach Santa Fe zu erzählen. Angesichts dieser Flut absurder Neuigkeiten hätte sich Sabrinas Angst unweigerlich schlagartig zur Hysterie gesteigert.
    Sie hatte auch nicht die Absicht, ihrer Mutter etwas von Susan Jaggers Tod zu sagen, weil sie sich einerseits nicht sicher war, ob sie schon über den Verlust ihrer besten Freundin sprechen konnte, ohne in Tränen auszubrechen, und zweitens, weil Susan für Sabrina wie eine Tochter gewesen war. Es war eine Nachricht, die sie persönlich überbringen musste, bei der sie die Hand ihrer Mutter halten musste, um Trost zu spenden und Trost zu empfangen.
    Um einen plausiblen Grund dafür zu nennen, dass sie ihre Mutter nicht früher zurückgerufen hatte, erzählte ihr Martie alles über Skeets Selbstmordversuch und seinen freiwilligen Aufenthalt in der New-Life-Klinik. Natürlich hatten sich diese Ereignisse bereits am Dienstagmorgen, also am Vormittag des Vortages ereignet, aber Martie drehte und wendete die Geschichte so, dass es sich anhörte, als wäre Skeet an dem einen Tag vom Dach gesprungen und hätte sich erst am nächsten in die Klinik begeben, was zwei Tage voller Hektik und Chaos erklären würde.
    Sabrinas Reaktion entsprach nicht ganz Marties Erwartung – und sie war erstaunlich emotionsgeladen. Sie kannte Skeet nicht besonders gut und hatte auch nie den Wunsch geäußert, ihn näher kennen zu lernen. In Sabrinas Augen war Skeet mindestens genauso gefährlich wie ein x-beliebiges, bis an die Zähne bewaffnetes Mitglied der kolumbianischen Drogenmafia aus Medellin, ein skrupelloser Kerl, der über Leichen ging und Kindern auf Spielplätzen mit Gewalt Heroin in die Venen jagte. Und jetzt das – Tränen, haltloses Schluchzen, atemlose Fragen über die Schwere seiner Verletzungen, über seine Zukunftsaussichten und wieder Tränen.
    »Genau das habe ich befürchtet, das ist es, was mich so wahnsinnig macht«, jammerte Sabrina. »Ich wusste, dass so etwas passieren würde, es konnte gar nicht anders kommen, und jetzt haben wir den Schlamassel, und das nächste Mal wird es nicht so glimpflich abgehen. Das nächste Mal fällt Dusty vielleicht vom Dach, bricht sich den Hals und ist tot oder zumindest für den Rest seines Lebens gelähmt. Und was dann? Ich habe dich angefleht, keinen Maler zu heiraten, sondern dir einen ehrgeizigeren Mann zu suchen, einen, der ein ordentliches Büro hat, wo er an einem Schreibtisch sitzt und nicht dauernd von Dächern stürzt, wo gar nicht erst die Gefahr besteht, dass er von Dächern stürzt.«
    »Mutter …«
    »Ich habe bei deinem Vater immer mit dieser Angst gelebt. Dein Vater und Feuer. Ständig irgendwelche Feuer und brennende Gebäude, Häuser, die in die Luft fliegen oder über ihm einstürzen konnten. Mein ganzes Eheleben hindurch habe ich Angst gehabt, wenn er zur Arbeit ging, bin in Panik geraten, wenn ich die Feuerwehrsirenen gehört habe, konnte mir keine Nachrichten im Fernsehen anschauen, weil ich immer dachte, ihm ist etwas passiert, wenn sie über irgendeine Brandkatastrophe berichtet haben. Und er ist ja auch immer wieder verletzt worden. Und vielleicht hatte sein Krebs auch etwas damit zu tun, dass er ständig Rauch eingeatmet hat. Die vielen Giftstoffe, die bei einem Großbrand freigesetzt werden und in der Luft herumfliegen. Und jetzt bist du mit einem Mann verheiratet, für den die Dächer das sind, was für meinen die Brände waren. Dächer und Leitern, die

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