Stimmen der Angst
eins-zwei-drei-vier Schüssen abgab, ohne zu wissen, ob die Kugeln die dicke Polsterung und den Metallrahmen überhaupt durchschlagen konnten.
Angreifbar von vorn und von oben. Nichts, was Kevin daran hindern könnte, das Feuer durch den Spalt zwischen Sitzfläche und Lehne hindurch zu erwidern, und das mit dreißig Schüssen, die ihm zur Verfügung standen, um sein Ziel zu suchen. Sofern er nicht getroffen war, konnte er sich aufrichten und von oben auf sie herunterschießen. Angreifbar auch von der offen stehenden Tür her, durch Zachary mit der zweiten Maschinenpistole. Nicht zögern. Handeln, raus aus dem Wagen. Fast gleichzeitig mit dem vierten Schuss in die Rückenlehne hangelte sie sich verzweifelt in Sicherheit.
Es hätte sie zu viel Zeit gekostet, rückwärts zu kriechen und die hinter ihr liegende Tür zu öffnen, also folgte sie Zachary durch die Tür, die schon offen stand, vielleicht mitten in ein Sperrfeuer hinein, bewaffnet mit einer Pistole, in deren siebenschüssigem Magazin nur noch eine Kugel steckte.
Kein Sperrfeuer. Zachary – für mich liegt die Betonung auf ex – lauerte nicht auf sie. Er war getroffen, am Boden, aber nicht tot. Mit mindestens einer Kugel im breiten Kreuz, wenn nicht zweien, schleppte sich dieses zähe Scheusal auf allen vieren vorwärts.
Martie erkannte sofort, welches Ziel er im Auge hatte. Seine Maschinenpistole. Sie war ihm wohl im Stürzen aus der Hand gefallen und lag nun etwa drei Meter vor ihm auf der schneebestäubten Erde.
Reduziert auf den nackten Überlebenstrieb, nur noch die wilde, von keiner Sonntagsschule und keiner Zivilisation gebändigte animalische Kreatur, trat Martie ihm mit aller Wucht in die Rippen. Er stöhnte vor Schmerz auf, versuchte sie zu packen, sackte dann aber mit dem Gesicht voran zu Boden.
Ihr Herz klopfte so stürmisch, dass ihr die Umgebung vor den Augen pulsierte und mit jedem Herzschlag am Rand des Gesichtsfelds verschwamm. Ihre Kehle war vor Angst wie zugeschnürt. Die Atemzüge stürzten wie Eisklumpen in die Lunge und kämpften sich rasselnd wieder aus ihr heraus. Sie schob sich an Zachary vorbei zur Maschinenpistole. Raffte sie hastig vom Boden auf, immer gefasst darauf, von einer Salve im Rücken getroffen zu werden, die sie von den Füßen riss.
Dusty eingeschlossen im Kofferraum des BMW. Brüllte verzweifelt ihren Namen. Hämmerte von innen gegen die Haube.
Voll Staunen, dass sie noch am Leben war, ließ sie den Colt fallen. Wirbelte, die neue Waffe in beiden Händen, herum und versuchte das nächtliche Schneetreiben mit zusammengekniffenen Augen zu durchdringen, um ihr Ziel auszumachen. Aber da war kein Kevin. Die Fahrertür war geschlossen. Auch im Innern des Wagens konnte sie ihn nicht sehen.
Vielleicht lag er tot auf dem Beifahrersitz.
Vielleicht auch nicht.
Am Winterhimmel kaum noch ein Rest von Tageslicht. Nicht mehr die Farbe von Gips, sondern Asche und im Osten schwarzer Ruß. Der herunterrieselnde Schnee war viel heller als das erlöschende Reich über ihm, als bestünde er aus Lichtflocken, aus den letzten Fetzen des Tages, die eine ungeduldige Nacht von sich abschüttelte.
Perlmuttschimmernd im Licht der Scheinwerfer, täuschte der Schnee – Schleier hinter Schleiern hinter noch mehr Schleiern – das Auge und gaukelte schattenhaft huschende Gestalten vor, wo sich in Wirklichkeit kein Schatten bewegte.
Einem gottgegebenen Überlebenstrieb folgend, ließ sich Martie auf ein Knie fallen, um ein möglichst kleines Ziel abzugeben, und suchte angestrengt die Dunkelheit und die hellen Lichtkegel, die das Dunkel durchbohrten, nach einer Bewegung ab, aber das Einzige, was sich bewegte, war unaufhörlich und schnurgerade senkrecht fallender Schnee, Schnee, Schnee.
Zachary lag reglos auf dem Bauch. War er tot? Bewusstlos? Oder stellte er sich nur tot? Sie behielt ihn lieber im Auge.
Aus dem Kofferraum heraus rief Dusty immer noch ihren Namen und bemühte sich jetzt mit aller Kraft, die Lehne der Rückbank loszutreten, um sich so einen Weg ins Wageninnere zu bahnen.
»Sei ruhig!«, schrie sie. »Alles in Ordnung mit mir. Sei ruhig. Einer erledigt, vielleicht auch beide. Sei leise, sonst kann ich nichts hören.«
Dusty verstummte augenblicklich, aber jetzt registrierte Martie, obwohl ihr Herz wie der Hufschlag eines Pferdes in wildem Galopp hämmerte, dass der Motor im Leerlauf vor sich hin schnurrte. Ruhig wie ein Uhrwerk. Massive, schallgedämpfte Auspufftöpfe, nichts als ein leises, tiefes Grollen.
Aber es
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