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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nächsten Schrottpresse geschickt hätte. Er wandte den Blick von der weißen Schönheit ab und zwang sich, nicht mehr hinzusehen.
    Um sich von dem deprimierenden Gedanken abzulenken, ließ
    er den Motor des El Camino an, legte eine Kassette mit Radioaufnahmen von alten Spike-Jones-Stücken ein und konzentrierte sich ganz auf seine Schokoriegel.
    *
    Auf drei Seiten die Geistersiedlung. In früheren Jahrhunderten hatten hier Wachtfeuer, Talglichter und Glimmerlaternen die Nacht in Schach gehalten. Jetzt stieß die kalte Dunkelheit auf keinen Widerstand mehr, war von Gespenstern bevölkert, vielleicht nichts weiter als Trugbilder des Schnees, vielleicht waren aber doch auch ein paar geisterhafte Gestalten darunter.
    Im Süden, hinter Marties Rücken, zeichneten sich in der Dunkelheit die schattenhaften Umrisse von bröckelnden, verwitterten Adobemauern mit tiefen Fensteröffnungen ab, an manchen Stellen zwei Stockwerke, an anderen kaum mehr als einen Meter hoch. Türlose Eingänge führten in schuttgefüllte Räume, die in der Mehrzahl keine Decken mehr hatten und bei warmem Wetter Taranteln und Skorpionen als Unterschlupf dienten.
    Im Osten, im Licht der Scheinwerfer besser sichtbar, aber doch auch nicht in allen Einzelheiten erkennbar, erhoben sich die Reste hoher Schornsteine über halbkugelförmigen Steingebilden: alte Backöfen vielleicht oder Feuerstellen.
    Im Norden sah man die geschwungenen Linien eines niedrigen Gebäudes, das der BMW weitgehend verdeckte.
    Erstaunlicherweise ragten überall im Halbkreis der Ruinen hohe Pappeln auf. Es musste also, abgesehen von dem Brunnenschacht, den Zachary erwähnt hatte, so dicht unter der Erdoberfläche Wasser geben, dass die Wurzeln es erreichen konnten.
    Möglicherweise schlug Kevin, von Gebäude zu Gebäude, von Baum zu Baum huschend, einen Bogen um Martie. Sie durfte nicht hier bleiben, wo sie völlig ohne Deckung war, aber der Gedanke, sich an diesem merkwürdigen und archaischen Ort an Kevin heranzuschleichen – und von diesem vielleicht belauert zu werden –, war ihr unheimlich.
    Geduckt rannte sie zum Wagen und kauerte sich auf der Fahrerseite neben das Hinterrad.
    Die Tür stand noch offen. Die Deckenbeleuchtung verbreitete einen fahlen Lichtschein.
    Sie ließ sich auf den Bauch fallen und riskierte einen raschen Blick unter den Wagen. Kevin war nicht zu sehen.
    Die dünne Schneedecke auf der anderen Seite des BMW schimmerte im Licht, das von den Scheinwerfern nach hinten abstrahlte. Aus ihrer Perspektive sah es aus, als wäre die sonst makellos weiße Fläche an einer Stelle von Fußabdrücken zertreten, die sich vom Wagen entfernten.
    Sie richtete sich wieder in die Hocke auf und beugte sich in den Lichtschein, der aus dem Innenraum des BMW herausfiel, um die Maschinenpistole genauer unter die Lupe zu nehmen, damit sie später, wenn und falls sie gezwungen war, sie zu benutzen, keine unliebsamen Überraschungen erlebte. Das verlängerte Magazin bereitete ihr Sorgen. Aus dem hohen Munitionsfassungsvermögen schloss sie, dass es eine vollautomatische Pistole war, keine halbautomatische, und sie hatte erhebliche Zweifel daran, ob sie mit einer solchen Waffe umgehen konnte.
    Außerdem hatte sie eiskalte Hände. Sie hatte kein Gefühl mehr in den Fingern.
    Sie machte die Wagentür zu, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und beobachtete Zachary. Er lag immer noch bäuchlings auf der Erde und rührte sich nicht. Sofern er sich bewusstlos stellte und auf einen Moment der Unaufmerksamkeit ihrerseits lauerte, verfügte er über ein geradezu unnatürliches Maß an Geduld.
    Bevor sie sich mit Kevin befassen konnte, musste sie sich davon überzeugen, dass von Zachary keine Bedrohung mehr ausging.
    Nach kurzer Überlegung näherte sie sich ihm, alle Vorsicht außer Acht lassend, mit schnellem, entschlossenem Schritt und drückte ihm den Lauf der Maschinenpistole in den Nacken.
    Er bewegte sich nicht.
    Sie zog den Kragen seiner Steppjacke herunter und tastete mit kalten Fingerspitzen nach seiner Halsschlagader. Kein Puls.
    Der Kopf war zur Seite gedreht. Mit dem Daumen zog sie ein Lid hoch. Selbst in dem unzulänglichen Licht ließ sein starrer Blick keinen Zweifel offen.
    Schuldgefühle verwoben ihr Herz und ihren Verstand zu einer untrennbaren Einheit, sodass ihr beim Gedanken an das, was sie getan hatte, ein Schmerz wie Nadelstiche durch die Brust fuhr. Sie würde für immer ein anderer Mensch sein, denn sie hatte ein Leben vernichtet. Auch wenn die Umstände ihr nur

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