Stimmen der Angst
wäre?« Den Rest hätte sie sich sparen können. »Du sagst, er steckt Häuser in Brand, er schießt auf Menschen, er ist ein Psychopath, und dieser Verrückte, der da unten tot in meinem Haus liegt, soll irgendwie in Verbindung mit ihm stehen. Hättest du sein Kind wirklich gern als Halbschwester?«
Wie um ihm zu sagen, dass sie besonders froh sei, ihm das Problem einer so schwierigen Schwester erspart zu haben, zog sie Juniors Hand an die Lippen und küsste sie.
Als Dusty behauptet hatte, ihre schlimmsten Geheimnisse zu kennen, war sie offenbar davon ausgegangen, dass er nicht nur die wahre Ursache meinte, die zu Dominiques plötzlichem Kindstod geführt hatte, nämlich das Kissen, mit dem sie den Säugling erstickt hatte.
An Dustys und Marties Reaktion schien sie aber auf einmal zu erkennen, dass es die letzte Enthüllung eigentlich nie hätte geben müssen. Anstatt sich nun auf Schweigen zu verlegen, erging sie sich jedoch in weitschweifigen Erklärungen.
»Lief war unfruchtbar. Wir konnten keine Kinder bekommen. Ich war einundzwanzig, Lief war vierundvierzig. Er hatte das Zeug zum idealen Vater mit seinem ganzen Wissen und seiner Intelligenz, seinen brillanten Theorien zur Entwicklung der kindlichen Psyche. Lief hatte die besten Ansichten, was Erziehung anging.«
O ja, das hatten sie alle, sie hatten ihre guten Erziehungsansichten, ihre tiefen Einblicke und ihr hartnäckiges Interesse am Formen der Gesellschaft. Einsicht durch Medikamente, lachhaft.
»Mark Ahriman war zwar erst achtzehn, hatte aber kurz nach seinem dreizehnten Geburtstag schon mit dem Studium begonnen und bereits einen Doktortitel in der Tasche, als ich ihn kennen lernte. Er war ein Wunderkind, wie es im Buche steht, und die ganze Universität stand Kopf vor Bewunderung für ihn. Ein Genie, wie es kein zweites gibt. Er war ganz und gar nicht das, was man sich unter einem idealen Vater vorstellt. Er war ein verzogener Hollywood-Schnösel. Aber die Gene .«
»Wusste er, dass es sein Kind war?«
»Ja. Warum nicht? Keiner von uns war so konservativ.«
Das Summen in Dustys Kopf, das die Begleitmusik seiner Besuche in diesem Haus ausmachte, war in einen dunkleren, bedrohlicheren Ton übergegangen. »Als Dominique mit dem Down-Syndrom geboren wurde … wie bist du damit umgegangen, Mutter?«
Sie starrte auf die blutigen Kratzer auf seinem Handrücken, die sie ihm mit ihren Fingernägeln beigebracht hatte, und als sie ihm wieder in die Augen blickte, sagte sie nur: »Du weißt, wie ich damit umgegangen bin.«
Wieder zog sie Juniors Hand an die Lippen und küsste sie.
Diesmal war es, als wollte sie damit sagen, mit ihm gesegnet zu sein würde sie für allen Kummer entschädigen, den sie im Leben mit missratenen Kindern habe ertragen müssen.
»Ich wollte nicht wissen, was du mit Dominique gemacht hast«, entgegnete Dusty, »sondern wie du die Tatsache ihrer Behinderung aufgenommen hast. Wie ich dich kenne, hast du Ahriman in Grund und Boden gestampft. Ich wette, du hast ihm mehr Beleidigungen an den Kopf geworfen, als ein verzogener Hollywood-Schnösel je zu hören bekommen hat.«
»In meiner Familie ist so etwas nie vorgekommen«, sagte sie und bestätigte damit nur, dass Ahriman tatsächlich die Zielscheibe ihrer geballten Wut gewesen sein musste.
Martie konnte nicht länger an sich halten. »Du hast ihn also vor zweiunddreißig Jahren gedemütigt. Du hast sein Kind umgebracht …«
»Er war froh, als er hörte, dass sie tot war.«
»Das glaube ich dir gern, so wie ich ihn kenne. Aber trotzdem hast du ihn damals schwer gedemütigt. Und jetzt, all die Jahre später, geht der Mann, der dich mit Junior, diesem Goldkind, beglückt hat, her …«
Junior lächelte, als hätte Martie ihm ein Kompliment gemacht.
»… der Mann, der dich mit dem Jungen beglückt hat, den Ahriman dir nicht geben konnte, dein Ehemann, geht also her und macht sich über Ahriman lustig, beleidigt ihn öffentlich, wann und wo immer sich ihm eine Gelegenheit dazu bietet, und torpediert ihn sogar mit diesem lächerlichen Unsinn bei Amazon. Und du hast ihn nicht daran gehindert?«
Marties Vorwurf, nicht das Richtige getan zu haben, fachte Claudettes Wut von neuem an. »Ich habe ihn sogar dazu ermutigt. Und warum auch nicht. Mark Ahriman ist beim Bücherschreiben ebenso ein Versager wie beim Kindermachen. Warum sollte er mehr Erfolg haben als Derek? Warum sollte er überhaupt etwas haben?«
»Du dummes Frauenzimmer.« Martie wählte diese Beleidigung, weil sie
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