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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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fortziehen; wenn sie dagegen in Bewegung blieb, würde sie zwar möglicherweise mehr falsch als richtig, würde eine Dummheit nach der anderen machen, aber es bestand zumindest eine geringe Chance, dass sie intuitiv etwas Richtiges tat und sich dadurch ein wenig Erleichterung und ein Quäntchen Ruhe und Frieden verschaffen konnte.
    Außerdem wusste sie tief in ihrem Innern, auf einer Ebene, auf der keine logischen Überlegungen, sondern nur Gefühle zählten, dass sie sich vor Einbruch der Nacht von ihren Ängsten befreien und die Kontrolle über sich wiedergewinnen musste. In der Nacht kommt das Tier in uns zum Vorschein, denn der Mond singt ihm sein Lied, und der kalte, leere Raum zwischen den Sternen spricht seine Sprache. Diesem animalischen Wesen kann das Böse im allzu schwachen Licht reizvoll erscheinen. In der Dunkelheit konnte sich aus einer Panikattakke etwas Schlimmeres entwickeln, konnte aus Angst hoffnungsloser Wahnsinn werden.
    Es hatte zwar aufgehört zu regnen, aber noch immer erstreckte sich in allen Richtungen bis zum Horizont ein Meer dunkler Gewitterwolken, und der Tag drohte in einem unnatürlichen Zwielicht zu versinken.
    Tatsächlich war auch die echte Abenddämmerung nicht mehr weit, und wenn diese erst heraufzog, würde sich der wolkenverhangene Himmel schwarz wie die Nacht färben.
    Schon kamen vom Rasen her die Insekten der Nacht auf den Gehweg gekrabbelt. Und auch die Schnecken zeigten sich und zogen silbrig glänzende Schleimspuren hinter sich her.
    Das feuchte Gras, der Rindenmulch und das verrottende Laub auf den Blumenbeeten, die dunkel glänzenden Sträucher und die tropfnassen Bäume, alles roch nach Fruchtbarkeit.
    In dem seltsamen Dämmerlicht nahm Martie mit einem Gefühl des Unbehagens das üppige Leben wahr, das die Sonne mied, von der Nacht aber willkommen geheißen wurde. Und sie spürte auch dieses schreckliche Tausendfüßlerwesen in sich, das die Liebe zur Nacht mit all den Kreaturen teilte, die zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen aus ihren Schlupfwinkeln gekrochen, geschlängelt, gekrabbelt, geglitscht kamen. Das unruhige Gewimmel, das sie in ihrem Innern spürte, war nicht nur Angst; es war eine schreckliche Sehnsucht, eine Gier, ein Zwang, über den sie nicht nachzudenken wagte.
    Bleib in Bewegung, bleib in Bewegung, bleib in Bewegung, und sichere das Haus, mach eine Zuflucht daraus, in der nichts mehr zu finden ist, was in den Händen eines gewalttätigen Menschen gefährlich werden könnte!
    *
    Das Personal im New Life bestand zum größten Teil aus Pflegern und Therapeuten, aber von sechs Uhr morgens bis acht Uhr abends war auch ein praktischer Arzt anwesend. An diesem Tag hatte Dr. Henry Donklin Dienst, den Dusty noch von Skeets letztem Aufenthalt in der Klinik her kannte.
    Mit seinen weißen Locken und der rosigen Haut, die erstaunlich glatt und straff für sein Alter war, hatte Dr. Donklin das engelhafte Aussehen eines erfolgreichen Fernsehpredigers, obwohl ihm die Aalglätte fehlte, die vielen dieser elektronischen Salbader eine rasante Rutschpartie in die Hölle zu verheißen schien.
    Nachdem er aus Altersgründen seine Privatpraxis aufgegeben hatte, war Dr. Donklin bald klar geworden, dass das Rentnerdasein ungefähr so lustig war wie der Tod. Er hatte die Aufgabe im New Life übernommen, weil er die Arbeit als lohnend empfand – wenn sie auch nicht übermäßig anspruchsvoll war – und weil sie ihn, wie er sich auszudrücken pflegte, »vor dem erdrückenden Fegefeuer endloser Golfpartien und der Hölle auf Erden in Form von Brettspielen« bewahrte.
    Donklin drückte Skeets linke Hand, und selbst im Schlaf erwiderte der Junge, wenn auch schwach, den Druck. Dann wiederholte der Arzt den Test mit der rechten Hand – mit demselben Erfolg.
    »Keine sichtbaren Zeichen für eine Lähmung«, sagte Donklin. »Kein röchelndes Atmen, kein Aufblasen der Wangen beim Ausatmen.«
    »Die Pupillen sind gleichmäßig geweitet«, bemerkte Tom Wong.
    Nachdem sich Donklin mit einem prüfenden Blick in die Augen des Patienten selbst davon überzeugt hatte, fuhr er zügig mit seiner Untersuchung fort. »Kein kalter Schweiß, normale Hauttemperatur. Es würde mich wundern, wenn das ein Schlaganfall ist. Keine Blutung, keine Embolie, keine Thrombose. Wir werden die Möglichkeit trotzdem in Betracht ziehen und ihn an ein Krankenhaus überweisen, wenn wir nicht bald zu einem sicheren Befund kommen.«
    Dusty schöpfte einen Funken Hoffnung.
    Valet stand mit erhobenem Kopf in

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