Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht
Haushalt – der vernünftige, ruhige, schuldlose Mann –, während sie die irrationale Frau war, die jeden Augenblick aus der Haut fahren konnte.
Rob hatte auch darauf bestanden, dass sie das Haus verkauften – ein weiterer Streit, den Emma schlussendlich verlor. Sie liebte das Haus am Wade’s Creek, sogar mit den schlimmen Erinnerungen. Aber Rob sagte, dass es zu einsam liege und deshalb gefährlich sei; er könne nie wieder auf eine Reise gehen oder bis spätabends im Büro arbeiten, ohne sich große Sorgen um Emma und Maggie zu machen. Er wollte sie eingebettet in eine sichere und freundliche Wohngegend wissen, wo Kinder auf verkehrsberuhigten Straßen Fahrrad fuhren und Väter auf der Veranda grillten – und Mütter im Haus ihren Kopf in den Ofen steckten, dachte Emma. Aber sie sagte es nicht laut. Niemals laut. Ihrer Ansicht nach waren Robs Sorgen geprägt von dem Wunsch, sich selbst weniger schuldig zu fühlen. Sie erzählte ihm, dass in belebten Wohngegenden mehr Verbrechen geschahen als in entlegenen Landstrichen. In der Stadt gab es mehr Diebstähle, mehr betrunkene Studenten, mehr Anlässe für Fremde, nachts einfach vor der Haustür aufzutauchen. Vor allem aber fürchtete Emma die Nähe zu Nachbarn, die hinter ihrem Rücken flüstern, ihr Verhalten auf Anzeichen von Gewalt hin beobachten und Emmas Kontakt mit ihren Kindern fürchten würden. Sie brauchte die Abschottung von den tratschenden Städtern, und nicht das Eintauchen in ihre Welt.
Aber jedes Mal, wenn Maggie durch den Flur im Erdgeschoss ging oder aus ihrem Zimmerfenster auf die dunklen Bäume hinaussah, machte sie sich Sorgen um ihre Tochter. Könnte Maggie je wieder fröhlich in diesem Wald spielen? Könnte sie in unschuldiger Selbstvergessenheit am Bach knien und mit einem Küchensieb Jagd auf die kleinen Fische machen, wenn sie doch wusste, dass die Studenten an dieser Stelle Bier getrunken hatten? War nicht jeder Flecken ihres Grundstücks verseucht?
Und Emma entging auch nicht, dass mit jedem weiteren Tag am Wade’s Creek Maggies Schüchternheit weiter zunahm. So willigte sie schließlich ein, das Haus zu kaufen, das Rob wollte: ein kleines gelbes Gebäude mit Dachgiebeln in einer gemütlichen innerstädtischen Wohngegend mit alten Bäumen – Walnuss, Kiefer und Blüten-Hartriegel – und einem Gehweg, der immer geradeaus direkt zu Maggies nur vier Blocks weit entfernter Grundschule führte. Was konnte schöner sein als ein pastellfarbenes Bilderbuchhaus mit frisch gestrichenen weißen Rahmen und elfenbeinfarbenem Berberteppich ohne Flecken?
Der saubere Teppich beeindruckte Emma. Drei Tage lang hatte sie nach Jacobs Tod versucht, das Blut aus ihrem Perserläufer herauszuschrubben, ehe sie den Teppich schließlich wegwarf. Doch in dem hellgelben Haus waren alle Zimmer makellos, fast bis zur Auslöschung rein, so als wären die dunklen, satten Farben des menschlichen Daseins bis hin zu ihren blassesten Nuancen ausgebleicht worden.
Als sie, während der Immobilienmakler die Sauberkeit eines Gaskamins pries, im Wohnzimmer dieses gelben Hauses stand, hatte Emma aus dem offenen Fenster gesehen, über einen einige Meter breiten, von Azaleen gesäumten Rasen hinweg in das Wohnzimmer ihrer Nachbarn hinein, wo ein Kind Klavier spielte. Sie konnte eine zerhackte Version von ›Für Elise‹ hören, begleitet von dem Kläffen eines Schoßhündchens und den Rufen eines Teenagers, der nach der Aufmerksamkeitseiner Mutter verlangte. Als draußen scheppernd ein Müllwagen vorbeiratterte, wusste sie, dass sie die Fenster und Rollläden geschlossen halten musste, wenn sie in diesem Haus etwas Ruhe genießen wollte. Und so wohnte Emma die nächsten zwei Jahre in einer stark gedämmten und mit einer Klimaanlage ausgestatteten makellosen Sterilität.
Ihr einziger Trost war gewesen, dass Sarah ganz in der Nähe wohnte, nicht einmal eine Meile entfernt. Sarah hatte Robs Bedürfnis nach einem neuen Haus begrüßt und auch sein Beharren auf eine Therapie für Maggie. Sie war meistens einer Meinung mit Rob.
»Glaub mir, ich verstehe den Wunsch, allein zu sein«, hatte sie Emma versichert. »Als ich meinen Mann verlor, versuchte ich monatelang, mich abzuschotten. Aber ich musste mich schließlich losreißen, sonst hätte es mich verrückt gemacht. Ich habe mein schönes altes viktorianisches Haus verkauft, das viel zu groß für mich und Kate war und viel zu beladen mit Erinnerungen.«
Inmitten ihres traumatischen Sommers wurde der
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