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Stimmt's?

Stimmt's?

Titel: Stimmt's? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Drösser
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«verbrauchte Luft» klagen.

Im «verflixten» siebten Jahr einer Ehe gibt es besonders viele Ehescheidungen
    Stimmt. Das Statistische Bundesamt listet alljährlich die Zahl der Ehescheidungen in Deutschland auf und differenziert dabei auch nach der Dauer der jeweiligen Ehe. Und siehe da: Die absolut größte Zahl der geschiedenen Ehen, nämlich 6,4   Prozent, hatte im Jahr 2001 sechs Jahre gehalten – und mit dem sechsten Hochzeitstag beginnt ja bekanntlich das «verflixte siebte Jahr». Die Zahlen für fünf- und siebenjährige Ehen liegen allerdings dicht auf.
    Das ist jedoch nur eine grobe Näherungszahl. Will man einen mathematisch genaueren Wert angeben, muss man auch noch berücksichtigen, wie viele Ehen denn in den unterschiedlichen Jahren geschlossen wurden, und die Scheidungsquote darauf beziehen. Diese Rechnung hat Dieter Emmerling vom Statistischen Bundesamt aufgemacht, und sie bestätigt den ersten Eindruck: Die Zahl der Ehescheidungen steigt bis zum Jahr sechs jährlich steil an, findet dort ihr Maximum bei etwa 2,9   Prozent und fällt dann allmählich ab. Insgesamt wird übrigens etwa jede dritte Ehe irgendwann geschieden.
    Bevor man dem Volksmund allzu voreilig recht gibt, muss man aber noch bedenken, dass der Ehescheidung gewöhnlich eine Trennungszeit von mindestens einem Jahr vorausgeht. Also «muss der Grund für das Zerbrechen der Ehe in den meisten Fällen mindestens ein Jahr zuvor eingetreten sein», schreibt Emmerling. Die Partner sollten deshalb lieber schon im fünften Jahr auf der Hut sein, wenn sie nicht im siebten die Ehe nur noch formal abwickeln wollen.

Der Ausdruck «etwas bis zur Vergasung tun» bezieht sich auf die Judenvernichtung
    Stimmt nicht. Vergasung ist, nüchtern-technisch betrachtet, die teilweise Überführung eines flüssigen oder festen Stoffes in ein gasförmiges Endprodukt. Dieser Begriff ist seit dem 19.   Jahrhundert im Gebrauch, und auch die Redewendung «bis zur Vergasung» im Sinne von «bis zum Überdruss» führt der einschlägige Duden-Band auf diesen Ursprung zurück. Sie wurde schon vor der Judenvernichtung benutzt. Ein Leser meiner
ZEIT -
Kolumne schrieb mir, die ursprüngliche Formulierung laute «bis zur kalten Vergasung» – gemeint sei damit die Sublimation, bei der feste Stoffe direkt in den gasförmigen Zustand übergehen, zum Beispiel wenn Eis «wegtrocknet». Dieser Prozess läuft sehr langsam ab, man braucht also viel Geduld.
    Die Bedeutung «mit Gas umbringen» erhielt das Wort «vergasen» im Ersten Weltkrieg, als erstmals Giftgas militärisch eingesetzt wurde. Damals tauchte die Redewendung auch erstmals auf Feldpostkarten auf – sie ist also eindeutig vor der Nazizeit entstanden.
    Aber darf man mit diesem etymologischen Hinweis seinen gedankenlosen Sprachgebrauch rechtfertigen? Die Debatte wurde in den 60er Jahren schon einmal geführt, als der Sprachwissenschaftler Peter von Polenz in einer Studie behauptete, der Nationalsozialismus habe keine Auswirkungen auf den modernen Sprachgebrauch, «einige überempfindliche Sprachkritiker» sollten sich nicht so anstellen – das war gemünzt auf Leute wie den Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger, der fassungslos beobachtete, dass «Leute, die in deutschen Vorortzügen sitzen», den Ausdruck offenbar ganz naiv benutzten.
    Alfred Andersch hat 1971 den Roman «Efraim» geschrieben, in dem der jüdische Icherzähler auf einer Party hört, wie jemand davon redet, er könne die ganze Nacht «bis zur Vergasung» durchfeiern. Efraim stellt den Mann zur Rede, versetzt ihm einen Kinnhaken und argumentiertdann, «dass man kein kompliziertes politisches, sondern ein einfaches moralisches Bewusstsein braucht, um gewisse Wörter zu vermeiden». Und das gilt unabhängig von deren ursprünglicher Herkunft.

Im Schloss von Versailles gab es früher keine Toiletten
    Stimmt nicht. Die Legende von der so unhygienischen Barockzeit, der zufolge die Adligen nicht nur Kamine oder Vorhangverstecke, sondern auch die herrschaftlichen Zimmer und Gärten als Toilette nutzten, ist aber offenbar nicht totzukriegen.
    Die Wahrheit ist: Sicherlich hatte man damals ein anderes Verständnis von Hygiene als heute, und vor allem die einfachen Menschen haben nach unseren Begriffen vermutlich oft gestunken. Auch wenn ein regelmäßiges Bad damals nicht unbedingt an der Tagesordnung war – das Schloss verfügte über prachtvolle Baderäume, die Krönung war eine riesige achteckige Marmor-Badewanne. Gerade der «Sonnenkönig»

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