Stimmt's?
seinem Lager steht des Schlosses Herr – ergraut,/Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.»
Solche Geschichten können nicht stimmen: Haare bestehen aus toten Zellen, ähnlich wie Fingernägel. Sind die Farbpigmente einmal drin, bleiben sie dort. Graue (also farblose) Haare können nur von der Wurzel her – also in einem allmählichen Prozess – nachwachsen.
Eine mögliche Erklärung für ein scheinbar schnelles Ergrauen: Bekanntlich übt die Psyche Einfluss auf das Immunsystem aus. Nun gibt es eine Autoimmunkrankheit mit dem Namen
Alopecia areata diffusa
, bei der die Kopfhaare ausfallen. Das kann recht schnell gehen, wenn auch wohl nicht über Nacht. Aus ungeklärten Gründen sind pigmentierte Haare anfälliger für diesen Haarausfall als graue. Auf diese Weise ändert sich das zahlenmäßige Verhältnis der Haare, und der Schopf wirkt nachher grauer – obwohl die grauen Haare schon vorher da waren.
Grönland war früher ein grünes Land
Stimmt nicht. Jedenfalls nicht in historischer Zeit. Vor der Vergletscherung in der Riss-Eiszeit könnte Grönland tatsächlich einmal ein grünes Land gewesen sein. Aber das ist mehr als 200 000 Jahre her, und es war niemand da, um ihm diesen Namen zu geben.
Der Name stammt von den Wikinger-Siedlern um Erik den Roten, die vor über 1000 Jahren von Island hinübersegelten und die Insel entdeckten. Erik war für drei Jahre aus Island ausgewiesen worden, er hatte von einem sagenhaften, fruchtbaren Land im Westen gehört, also segelte er in diese Richtung. Aber auf der Insel, auf die er traf, herrschten damals ähnliche Klimaverhältnisse wie heute – das Land lag zu mehr als 80 Prozent unter einem Eispanzer. Der Großteil der restlichen Fläche war felsig, nur etwa ein Prozent des Landes war für den Ackerbau geeignet und ergrünte zumindest zeitweise in den Sommermonaten. Als Erik nach Verbüßung seines Exils im Jahr 985 wieder in Island ankam, erzählte er seinen Landsleuten trotzdem vom grünen «Grönland» – ein P R-Gag , um Siedler zu rekrutieren. Das funktionierte, mit 25 Schiffen brachen die Wikinger auf, um eine Kolonie in dem gelobten Land zu gründen.
In der Folgezeit wurde es dann vorübergehend noch kälter in Grönland. In der «Kleinen Eiszeit» im 15. Jahrhundert bibberte auch Europa, und Eisberge behinderten den Zugang zu der Insel. Nach 450 Jahren starben die Wikinger auf Grönland aus – aber nicht die Kälte war der Hauptgrund, sondern ihre Lebensweise. Sie versuchten auf Teufel komm raus, ihren gewohnten Stil mit Ackerbau und Viehzucht beizubehalten, anstatt sich wie die einheimischen Eskimos den Verhältnissen ihrer neuen Heimat anzupassen. Eine solche Integrationsunwilligkeit konnte auf die Dauer nicht gutgehen.
Grünkohl soll man bis zum ersten Frost auf dem Feld lassen, weil er dann süßer schmeckt
Stimmt nicht. Oft liest man über den Grünkohl, dass der Nachtfrost die Stärke in seinen Blättern in Zucker verwandele und ihm so einen angenehmeren Geschmack verleihe. Wenn das so wäre, spräche natürlich nichts dagegen, dem Kohl in der Kühltruhe den Kälteschock zu verpassen, das Ergebnis müsste dasselbe sein.
Aber es ist nicht der Frost, der die langen Stärkemolekülketten in ihre zuckrigen Bestandteile zerlegt. Das erledigen Enzyme in der Pflanze. Außerdem ist im reifen Grünkohl kaum noch Stärke enthalten, die sich so umwandeln ließe.
Der geheimnisvolle Mechanismus, der den Kohl bei Kälte süßer macht, sei ein anderer, erklärt Monika Schreiner vom Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Großbeeren. Wenn es kalt wird auf dem Acker – Frost ist gar nicht unbedingt erforderlich –, werden die Stoffwechselvorgänge in der Pflanze langsamer. Der Kohl verbraucht weniger von seinem Treibstoff, dem Zucker. Insbesondere wird das Enzym Phosphofruktokinase stark gehemmt. Gleichzeitig läuft aber die Zucker bildende Photosynthese weiter. So wird die Pflanze insgesamt süßer.
Diese Glukose-Anreicherung kann jedoch nur funktionieren, solange der Kohl lebt. Ist er einmal gepflückt, kommt die Photosynthese zum Erliegen, und kein Frost macht ihn mehr süßer. Trotzdem ist auch Tiefkühlkohl genießbar – die Hersteller wählen dafür Sorten, die von vornherein über einen hohen Zuckeranteil verfügen.
Haare und Fingernägel wachsen nach dem Tod weiter
Stimmt nicht. Außer wenn man besonders spitzfindig sein will (siehe unten). Das Phänomen sei ein «postmortales Artefakt», erklärt
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