Stirb für mich: Thriller
könnte bereits zu spät sein«, erklärte Jat. »Sie müssen Mahmood Aziz sagen, dass seine Gruppe in London die Suche sofort aufnehmen muss.«
»Wonach genau?«
»Alles, was sie über die Entführung von Frank D’Cruz’ Tochter Alyshia in Erfahrung bringen können«, sagte Jat, verzweifelt über die allgemeine Gleichgültigkeit, die ihm entgegenschlug. »Sie müssen herausfinden, wo sie festgehalten wird, und bereit sein, in Aktion zu treten. Damit meine ich die Übernahme der Entführung.«
»Welche weiteren Anhaltspunkte haben Sie für die Gruppe?«
»Keine.«
»Ich habe alle Nachrichtenkanäle durchgesehen«, sagte der Agent. »Nichts über die Entführung. Offenbar wurde eine Nachrichtensperre verhängt.«
»Mahmood Aziz hat mir versichert, dass die Gruppe absolut fähig ist.«
Der Agent wirkte ein wenig skeptisch. Er hatte keine Ahnung von den Fähigkeiten der Gruppe, aber er wusste wie jeder andere, dass London eine riesige Stadt war, weshalb es für jede Gruppe praktisch unmöglich war, auf der Grundlage derart karger Informationen eine Person zu finden, die dort versteckt wurde. Doch er war sich auch bewusst, dass man das mit Amir Jat besser nicht erörterte. Der Mann gab Befehle, und sie wurden befolgt.
»Ich werde ihm die Nachricht zukommen lassen«, sagte er.
»Ich brauche eine Nummer, unter der ich Saleem Cheema nach meiner Ankunft in London erreichen kann«, sagte Jat und zog ein Handy aus der Tasche.
Der Agent nannte ihm die Nummer und gab ihm einen deutschen Pass. Jat kontrollierte, ob er einen gültigen Einreisestempel für Dubai hatte, und betrachtete das Foto. Er ging ins Bad, wo westliche Kleidung für ihn bereitlag. Er zog seinen Sherwani , seinen Salwar Kamiz und die weiße Taqiyah aus und stopfte sie in eine schwarze Plastiktüte. Er rasierte sich den Bart ab und veränderte seine Frisur entsprechend dem Passfoto. Dann zog er die schwarze Hose, das weiße Hemd und den schwarzen V-Pullover an. Auf dem Weg aus dem Haus gab der Agent ihm ein Sportjackett, einen Wollmantel und ein Flugticket auf den Namen in seinem neuen Pass.
Um 13.45 Uhr brachte der Fahrer Amir Jat zurück zum Flughafen, wo er, nach wie vor nur mit Handgepäck, um 14 Uhr für seinen Flug von Dubai nach Paris eincheckte.
Dan konnte sich nicht erinnern, je so panisch gewesen zu sein. Selbst als er wusste, dass man ihn wegen des Medikamentendiebstahls im Krankenhaus verhaften würde, hatte er nicht solche Angst gehabt wie jetzt. Es war nicht der Tod an sich. Der Tod wäre okay, er hatte als Pfleger genug davon gesehen, um ihn nicht mehr zu fürchten. Erschreckend war nur der Gedanke, wie er zu Tode kommen würde. In wessen Händen würde er landen, wenn er erwischt wurde? Er war nie bei einer von Kevins Sitzungen zugegen gewesen, doch er hatte davon gehört, und er hatte den schalldichten Raum gesehen, den Kevin im Keller des Lagerhauses in der St. James Road eingerichtet hatte. Kevins Vorlieben waren ein bisschen homoerotisch, sodass Dan sich manchmal fragte, was der Mann in seiner Freizeit machte.
Dann war da die Polizei. Allein der Gedanke an die Prozedur der Festnahme erschöpfte ihn, aufs Revier gebracht und so lange vernommen zu werden, bis sie die Geschichte aus jeder Perspektive gehört hatten. Dann der Prozess, die Verurteilung und zurück in ein Gefängnis Ihrer Majestät mit all seinen Machtkämpfen, Fehden, Beziehungen und Drogen, der Kleinlichkeit, der Gewalt und dem beschissenen Essen. Und diesmal würde es lebenslänglich sein, also mindestens zwanzig Jahre.
Beim Gedanken an diese beiden Möglichkeiten verknoteten sich seine Eingeweide vor Angst.
Hinter einem blauen Zaun vor einem langen Block mit Sozialwohnungen am Ende des Branch Place spielten ein paar schwarze Jugendliche Fußball. Er beneidete sie um ihre unreflektierte Freude über gelungene Dribblings und unhaltbare Schüsse. Am Bridport Place überquerte er die Brücke und folgte dann dem Treidelpfad direkt am Nordufer des Kanals, vorbei an den endlosen, schicken neuen Stadtwohnungen aus Stahl und Glas – Bulldozer bahnten sich ihren Weg durch das East End, durch Dalston und De Beauvoir Town. Abseits der Straßen fühlte Dan sich sicherer. Niemand ging bei der Kälte am Kanal entlang.
Kurz vor dem Islington-Tunnel verließ er den Treidelpfad wieder, ging die Duncan Street hinunter und dann links bis zur U-Bahn-Station Angel.
Eigentlich war der Westen Londons sein Ziel gewesen, doch einer spontanen Eingebung folgend entschied er,
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