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Stirb für mich: Thriller

Stirb für mich: Thriller

Titel: Stirb für mich: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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stattdessen nach Hampstead zu fahren. Er würde den Anruf aus dem Heath machen. Das würde ihn beruhigen. Hampstead war vertrautes Terrain. Im Royal Free Hospital hatte er seine Ausbildung gemacht.
    In mehr oder weniger unverändertem Zustand spuckte ihn der Lift wieder aus den Gedärmen der Station Hampstead. Auf der High Street blies ein beißender Wind. Hier war eine völlig andere Klasse von Londonern unterwegs, Menschen, die mit Vollkornbrot und Kuchenschachteln aus einer Edelbäckerei kamen. Er ging an einem Pub vorbei und schlüpfte in die schmale Gasse des Flask Walk. Ein Pint, um sich Mut zu machen, wäre nicht schlecht gewesen. Und warum eigentlich nicht? Er kehrte um und bestellte am Tresen einen Bushmills und ein Pint Bitter. Er kippte den Whisky herunter und die Hälfte des Pints hinterher. Das war eine gute Idee gewesen. Seine Nerven beruhigten sich wieder. Er bestellte noch einen Whisky, kippte ihn ebenfalls herunter, gefolgt von dem Rest Bier. Er fühlte sich, als hätte er mit einem Mal einen ganzen Trupp Kumpels an seiner Seite, die es mit jedem, der ihnen querkam, aufnehmen und gewinnen würden.
    Als er die East Heath Road überquerte und den von Bäumen gesäumten Pfad zum Park hinunterging, war es 16.00 Uhr. In dicke, gesteppte Daunenmäntel gehüllte Menschen führten ihre Hunde aus. Ein muskulöser Jack Russell in einer roten Wollweste tollte unbeschwert durchs Gelände, ein fetter, schwarzer Labrador trottete schwerfällig hinter seinem Herrchen her, das auch nicht in besserer Verfassung war. Zwei Joggerinnen mit Pferdeschwanz und vor Kälte geröteten Beinen zogen mit dampfendem Atem vorüber, während die eine der anderen erzählte, wie Kundalini-Yoga ihr Leben verändert hatte.
    Wie war er in diese Lage geraten? Warum war er nicht immer noch Krankenpfleger, auf dem Weg zu seiner Schicht mit der Gewissheit, Gutes zu tun und am Zahltag ein paar Pints mit den Kumpels in der Hospital-Bar zu trinken? Ein Bild, wie er dem Taxifahrer in den Hinterkopf geschossen hatte, blitzte vor seinem inneren Auge auf. Sein Vater, ein Postbote, hatte ihm, nachdem er mit sechzehn zum ersten Mal Ärger mit der Polizei gehabt hatte, erklärt: Du musst der Versuchung widerstehen, den ersten Schritt abwärts zu machen, denn der gibt einem den Schwung.
    Dieser erste Schritt war der Diebstahl von Medikamenten gewesen, um ein bisschen was nebenbei zu verdienen, und jetzt hatte er zwei Menschen umgebracht. Aber warum? Er blickte zu der Kuppel aus nackten Ästen auf. Er hatte gefragt, ob er mit Skin zusammenarbeiten könnte. Das war es. Und da hatte er schon gewusst, wie Skin war. Trotzdem hatte ihn dessen Aura von Unzerstörbarkeit irgendwie unwiderstehlich angezogen.
    Vielleicht sollte er die ganze Sache abblasen und in ein neues Leben verschwinden. Er hatte noch ein bisschen Geld von dem Taxifahrer übrig, aktuell etwa zwei Riesen. Damit könnte er irgendwohin fliegen, weg von dem Wahnsinn.
    Aber er blieb nicht stehen und machte kehrt. Offenbar war irgendwo festgelegt worden, dass er diesen Anruf bei Isabel Marks machen würde, und er war ohnmächtig, die Stoßkraft des Schicksals zu stoppen, obwohl es ihn erkennbar auf eine Katastrophe zusteuerte. Als er von der Parkbank auf dem Parliament Hill über die im stählernen Blaugrau des dämmernden Tages am Horizont aufgereihten Lichter der City blickte, tauchte die untergehende Sonne kurz unter der Wolkendecke hervor und warf einen rosa-orangefarbenen Schimmer über die Stadt, im Osten gespiegelt von der Glasfassade des Wolkenkratzers am One Canada Square in Canary Wharf, der sich himmelwärts reckte wie ein aufrecht stehender Goldbarren, als wollte er sagen: »Nimm mich, ich gehöre dir.«
    Vielleicht war es dieser Anblick plus die beiden Whiskys und das Pint Bier, die ihm auf die Sprünge halfen. Er setzte sich auf die Bank und machte den Anruf.
    »Isabel Marks?«, fragte er selbstbewusst. »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Ihre Tochter nicht nur wohlbehalten und am Leben ist, sondern angesichts der Belastung, die sie überstehen musste, auch bei sehr guter Gesundheit.«
    »Ich bin so froh, dass Sie anrufen«, sagte Isabel. »Ich war schon ganz krank vor Sorge. Ich konnte mir nicht vorstellen, was passiert ist. Ihr letztes Ultimatum ist vor mehr als fünf Stunden verstrichen. Hat es irgendein Problem gegeben, Dan?«
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Dan? Sie sind doch Dan? Der Krankenpfleger?«, fragte Isabel. »Ich bin so erleichtert, dass sich meine Tochter in den

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