Stirb für mich: Thriller
Ermittlungen wird sie denn durchführen?«, fragte D’Cruz.
»Sie soll herausfinden, wo und von wem Alyshia zuletzt gesehen wurde, Alyshias Freunde und Kollegen kontaktieren, sich in ihrer Wohnung umschauen, ihre Kreditkartenabrechnungen und Kontoauszüge durchgehen und dergleichen. Hat irgendjemand einen Schlüssel?«
»Ich nicht«, sagte Isabel. »Einen Ersatzschlüssel hat sie nie erwähnt. Aber hör mal, was Mercy betrifft, bin ich sehr beunruhigt. Du weißt, was der Entführer gesagt hat. Alles, was auch nur nach Polizei aussieht, und …«
»Mercy hat schon in Dutzenden von Entführungsfällen ermittelt; sie ist sehr erfahren.«
»So viele?«
»Ja, allein in Großbritannien«, sagte Boxer. »Und jedes Mal sind die Geiseln unversehrt nach Hause gekommen.«
D’Cruz nickte und tätschelte Isabels Hand. Sie aßen zu Ende, leerten die Weinflasche, und D’Cruz nahm vor seinem Aufbruch noch einen Espresso. Boxer blieb in der Küche, während Isabel ihn zur Tür brachte.
»Du musst mich für ziemlich sonderbar halten«, sagte sie, als sie in die Küche zurückkam.
Boxer blickte auf und sagte nichts: ein alter Trick.
»Keine Freunde oder Verwandten in der Stunde der größten Not«, fuhr sie fort. »Nur ein vollkommen Fremder, den mein Mann über eine Versicherung engagiert hat.«
»Es passiert mir nicht zum ersten Mal, aber normal ist es nicht.«
»Machst du dir Sorgen?«
»Ich mag den Ausdruck ›emotionale Achterbahnfahrt‹ nicht, weil er irgendwie nach Vergnügen klingt, doch er beschreibt das, was bei Entführungen passiert, ziemlich genau. Im einen Moment ist man oben und hat das Gefühl, alles läuft positiv und in die richtige Richtung, und im nächsten fällt man in ein tiefes Loch und ist deprimiert und demoralisiert«, sagte Boxer. »Dazwischen immer wieder Nervenkitzel und stockender Atem, aber im Gegensatz zu einer Achterbahnfahrt macht nichts davon den geringsten Spaß. Und deshalb brauchst du einen Menschen, der dir nahesteht, dem du vertraust, der einen Arm um dich legen kann. Das Ganze ist körperlich und emotional erschöpfend.«
»Die wirklich harten Zeiten meines Lebens habe ich immer allein durchgestanden. Nach der Trennung von Chico habe ich mich auch niemandem anvertraut.«
»Du hattest Alyshia.«
»Stimmt«, sagte Isabel mit leicht bebender Stimme. »Aber als meine Mutter gestorben ist, war Alyshia in Mumbai.«
»Und deine Schwester Jo hat dich auch damals im Stich gelassen?«
»Meine Mutter und Jo haben sich nicht verstanden. Sie war damals nicht die passende Person.«
»Kidnapping ist ein Psychospiel. Wir sitzen hier. Sie sitzen dort. Es gibt keine visuelle Ebene, die uns helfen könnte. Sie haben uns bereits demonstriert, dass sie psychologisch sehr versiert sind. Es wäre wirklich gut, wenn du jemanden an deiner Seite hättest, der sowohl dich als auch Alyshia kennt.«
»Es gibt niemanden, auf den ich mich verlassen kann«, sagte sie und setzte sich wieder an den Tisch. »Bis auf Miriam und jetzt dich, Charles Boxer.«
»Vergiss nicht, dass ich der Außenstehende bin, der dir eine objektive Sicht liefern soll. Ich versuche, zwischen realer Gefahr und taktischer Finte zu unterscheiden. Ich sorge dafür, dass du nicht die allzu natürlichen Fehler machst, zu denen dich deine emotionale Verwicklung verleiten kann.«
»Dann musst du dir eben deinen professionellen Sachverstand bewahren und gleichzeitig ein Vertrauter werden«, sagte sie. »Wir müssen uns kennenlernen. Du kannst damit anfangen, indem du mir erzählst, von wem du diese Augen hast.«
»Von meiner Mutter.«
»Und woher stammt die? Aus Afghanistan?«
»Aus Sydney in Australien«, sagte Boxer. »Und nicht mal aus einem exotischen Vorort. Parramatta. Ihre Mutter starb jung. Ihr Vater war ein arbeitsloser Trinker mit einem Hang zu Kneipenschlägereien. Meine Mutter verließ ihr Zuhause mit achtzehn, wurde Stewardess und hat weder zurückgeblickt, noch ist sie je dorthin zurückgekehrt, nicht mal zu seiner Beerdigung.«
»Wie heißt sie?«
»Esme.«
»Das ist ein altmodischer Name.«
»Es war der Name ihrer Großmutter.«
»Wo ist sie jetzt?«
»In Hampstead. Sie wohnt in einem Haus, das meine Tochter die Husten-Klinik nennt.«
»Ist sie krank?«
»Nicht in dem Sinne«, sagte Boxer. »Sie hat eine Wohnung in Mount Vernon, einem ehemaligen Hospital für Schwindsüchtige. Es ist Amys Art, sich über meine Mutter lustig zu machen. Mount Vernon ist inzwischen eine sehr luxuriöse Wohnanlage.«
»Und
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