Stirb für mich: Thriller
sein Bier und sah so alt aus wie die Inneneinrichtung des Pubs. Papadopoulos ging an die Bar und bestellte ein Ginger Ale und ein Tonic Water.
»Große Sause?«, fragte der Barkeeper.
»Ach, na gut«, meinte Papadopoulos, »geben Sie mir noch einen doppelten Britvic-Orangensaft on the rocks mit Schirmchen.«
Er kehrte mit den Getränken an den Tisch zurück, wo Schweigen herrschte.
»Ich hab gerade mit Fred Scully gesprochen«, sagte Nelson. »Er ist ein gebrochener Mann. Der Junge hat ihm alles bedeutet, nachdem er schon seine Tochter durch Hirnhautentzündung verloren hatte. Furchtbare Geschichte. Jetzt hat er niemanden mehr.«
»Was hat Vic dort gemacht?«, fragte Mercy, bemüht, nicht zu mitleidlos zu klingen. »Mit einer Pistole?«
»Fred kann es nicht fassen. Er wusste nicht mal, dass Vic eine Waffe hatte. Und er kann auch nicht glauben, dass Jack Auber in eine derart üble Sache verwickelt war. Harte Zeiten, ich weiß nicht.«
»Konntest du schon mit Jacks Frau und Tochter sprechen?«
»Ich hab Ruby sofort angerufen, nachdem ich es gehört hatte. Keine Antwort«, sagte Nelson. »Mit Ihnen redet die bestimmt nicht, das garantiere ich Ihnen.«
»Wenn Jack sonst nicht in so üble Sachen verwickelt war, mit wem, der so was macht, hat er sich eingelassen?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Alteingesessener war«, sagte Nelson. »Die Leute von hier würden einen nicht umbringen, wenn man es nicht darauf anlegt. Nach dem, was mit den beiden Illegalen passiert ist, muss Jack Vic als Verstärkung mitgenommen haben. Ich schätze, er ist nur zurückgekehrt, um für den Job zu kassieren, und hat sich wahrscheinlich gedacht, wenn man umgelegt wird, dann wegen Geld. Ich vermute, es waren irgendwelche Ausländer. Die sind völlig unberechenbar, wissen Sie? Schwarze, Chinesen oder Albaner. Wenn man heutzutage vor schwarzen Kids die Straße überquert, knallen die einen ab, weil man ›keinen Respekt‹ gezeigt hat.«
»Schon gut«, versuchte Mercy, Nelsons Rassismus zu zügeln. »Jack Auber hätte sein Geschäft mit den Illegalen doch bestimmt nicht durchziehen können, ohne dass er von irgendwem die Erlaubnis dazu bekommen hatte, oder, Nelson?«
»Nein, aber ich bezweifle, dass das irgendwas mit der Sache zu tun hat. Wenn es eine heimische Gang gewesen wäre, hätte er nicht den jungen Vic mitgenommen, oder? Er hätte auf jemand mit mehr Erfahrung zurückgegriffen«, sagte Nelson. »Nein, die haben ihn wegen des Taxis angesprochen. Es war ein kleines Nebengeschäft mit einer Gang von außen.«
»Wer hat hier im Viertel das Sagen?«, fragte Mercy.
»Joe Shearing.«
»Und was wird Joe Shearing in der Sache unternehmen?«
»Wenn Jack auf eigene Rechnung gearbeitet hat, fühlt Joe sich wahrscheinlich nicht verantwortlich«, sagte Nelson. »Andererseits will man sich auch nicht mit Ruby anlegen, und vielleicht hört Joe sie an. Wenn er das tut, wird sie ihn umstimmen.«
»Und du wirst davon erfahren?«
»Die Nachricht wird durch sämtliche Pubs schwirren.«
»Das tut mir leid, Alyshia«, sagte die Stimme. »Glaub mir, es war unbedingt notwendig. Ich denke, jetzt haben wir die ungeteilte Aufmerksamkeit deines Vaters. Bist du da, Alyshia?«
Alyshia war katatonisch. Sie trug keine Schlafmaske mehr, sondern starrte an die Decke, nachdem sie nach ungefähr einer Stunde wieder unter dem Bett hervorgekrochen war. Ihr Verstand ging stoßweise. Das Leben brach in wilden, intensiven Bildfolgen über sie herein wie brutale Nachrichtenclips, und dann schaltete sich ihr Gehirn wieder ab, unfähig, die extremen Gefühle zu verarbeiten – Hoffnung und Verzweiflung, Erleichterung und Furcht, Zuversicht und Angst.
»Setz dich auf die Bettkante«, sagte die Stimme.
Roboterartig richtete sie sich auf, schwang die Beine aus dem Bett und stützte ihre Hände auf den Rand der Matratze.
»Trink einen Schluck Wasser.«
Sie trank Wasser aus einem Glas auf dem Nachttisch.
»Leg deine Hände in den Schoß und atme tief und gleichmäßig durch.«
Sie tat, wie ihr geheißen. Sie fand keine Spur von Widerstand oder Ungehorsam in sich. Sie war zufrieden, in dieser engen Welt mit den Befehlen der Stimme zu leben, und ertappte sich dabei, ihr bereitwillig so präzise wie möglich zu gehorchen.
»Wir haben nur noch einen sehr wichtigen Abschnitt deines Lebens zu besprechen«, sagte die Stimme. »Wir haben über deine Beziehung zu deiner Mutter geredet und darüber, wie sie sich seit deiner Rückkehr nach London entwickelt
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