Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
Vom Netzwerk:
davor, zu explodieren. Für wie blöd hielt sie ihn? »Ihr habt euch geküsst, da vorne!« Er deutete mit ausgestrecktem Arm zum Ende der Gasse.
    Mit offenem Mund sah Natalie ihn an, doch sie blieb stumm.
    Er dagegen ließ alles raus. »Lüg mich bloß nicht an! Im Kino war er auch. Und in deiner U-Bahn. Deshalb durfte ich dich nicht nach Hause bringen, oder? Wie lange seid ihr schon zusammen?«
    Natalie hatte sich jetzt wieder besser im Griff und wurde schnippisch. »Kann dir doch egal sein. Was geht’s dich an? Du und ich waren nur zusammen im Kino, das heißt doch nichts.« Sie sah ihn an, wie um die Wirkung ihrer Worte zu prüfen. Anscheinend war sie ihr nicht heftig genug, denn sie fügte hinzu: »Bloß dass du es weißt: Du bist zwar nett, aber Tristan ist viel cooler. Halt dich von mir fern, klar? Von uns. Vergiss einfach, was du gesehen hast. Vergiss mich!«
    Das saß. Und was am meisten wehtat: Sie hatte mit jedem Wort recht. Er war nett. Ein Superkumpel. Richtig toll zum Quatschen und so. Aber sonst – Fehlanzeige. Cool waren immer nur die anderen. Dieser Tristan. Joys Cabrio-Typ. Was sollte einer wie er da noch sagen? »Na, dann viel Glück mit deinem Tristan.« Das war alles, was ihm einfiel, und so ließ er sie stehen.
     
    ALBERNES, KITSCHIGES HERZ. Er hielt den Schlüsselanhänger mit zwei Fingern hoch und betrachtete ihn voller Bitterkeit. Ihrem Tristan hätte Natalie bestimmt kein so dämliches Geschenk gemacht. Ein Glitzerherz in einer Kugel – das passte nur zu jemandem, den man nicht ganz ernst nahm. Was sollte er damit? Am besten, er warf das Ding in den Müll – und die Erinnerung an Natalie gleich mit.
    Er ließ das Herz in den Abfalleimer fallen und schüttelte die Mülltüte so lange, bis es zwischen schmutzigen Papierservietten und Plastikverpackungen nicht mehr zu sehen war. Eigentlich sollte er sich jetzt besser fühlen. Tat er aber nicht. Verdammtes Ding! Warum ließ es ihn nicht in Ruhe? Was wollte es von ihm? Schließlich holte er es wieder aus dem Eimer und machte es sauber. Natalies Herz. Das einmal Alina gehört hatte. Und jetzt seines war.
    Kamen seine Skrupel, es wegzuwerfen, auch daher, dass Alina tot war? Er hatte sie nur einmal kurz gesehen, aber ihre goldenen Locken und das Elfengesicht standen ihm klar vor Augen. Schon ein Hammer, dass es sie nicht mehr gab. Nur: Wieso reichte Natalie ein Andenken an ihre beste Freundin an ihn weiter? Was wollte sie ihm damit sagen? Natalie und ihre kleinen Botschaften. Man wusste nie, was genau sie bedeuteten.
    Wahrscheinlich hatten sie gar nichts zu bedeuten.
    Nur leere Worte, leere Gesten.

[zurück]
     
    IN EINEM ANDEREN Leben, in einer anderen Welt wären Sascha und ich vielleicht zusammengekommen, denkt Natalie und betrachtet das sich stetig ändernde Muster aus Regentropfen an der Fensterscheibe. Leider leben sie in dieser Welt, und in dieser Welt gibt es kein Glück. Zumindest nicht für ein Mädchen wie sie, das nirgendwo reinpasst. Nicht mal ins eigene Leben. Androsch hat sie mal gefragt, wie sie sich selbst beschreiben würde, und da hat sie gesagt: »Ich bin wie ein Igel. Bloß mit den Stacheln nach innen.« In dieser Welt braucht ein Mädchen wie sie jemanden wie Tristan. Jemanden, mit dem sie alles hinter sich lassen kann.
    Trotzdem muss sie oft an Sascha denken. Es tut ihr leid, dass sie ihn so fies abserviert hat. Aber es ist nicht anders gegangen. Sie fragt sich, was er wohl in ihr sieht. Warum er sich überhaupt mit ihr abgibt. Was hat sie schon zu bieten? Okay, sie ist nicht hässlich, aber Sascha ist kein Junge, dem es nur auf Äußerlichkeiten ankommt. Sie hätte heulen können, als es nach ihrem Kampf auf dem Schulhof so aussah, als könnte er ihr Beschützer sein. Als gäbe es für sie tatsächlich Schutz. Aber wie sollte ausgerechnet Sascha sie beschützen? Er hat nicht die leiseste Ahnung, wer und was sie ist. Er hält sie für ein Mädchen wie jedes andere, eines, in das ein Junge sich einfach so verlieben kann. Doch sie hätte ihn bloß mit sich runtergezogen. Sein Weg ist ein anderer als ihrer. Ihr Weg ist der von Tristan.
    Dabei wäre es ihr anders lieber gewesen. So, wie es eigentlich hätte sein sollen. So, wie Alina und sie es sich damals versprochen haben. Wenn wir gehen, gehen wir gemeinsam. Das war der Schwur, und Alina hat ihn gebrochen. Nie, nie, nie wird sie ihr das verzeihen. Und auch nicht, dass sie davor die Freundschaft verraten hat. Ach, wenn sie Alina doch dafür hassen könnte. Stattdessen muss

Weitere Kostenlose Bücher