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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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einen Hinweis auf ihren geheimnisvollen Lover. Welche von den Türen die richtige war, war nicht schwer zu erraten. Es musste die sein, an der ein großes Blechschild hing mit der Aufschrift:
KEEP OUT !
    Als er die Tür hinter sich zugezogen hatte, stülpte sich die Stille geradezu gewaltsam über ihn und raubte ihm den Atem. Natalies Zimmer also. Hier hatte sie ihre Zeit verbracht. Hier war sie gestorben. Vielleicht in ihrem Bett, mit Blick auf das lebensgroße Rihanna-Poster am Kopfende.
    Er stand ganz und gar still, horchte, spürte in den abgedunkelten Raum hinein, und da fühlte er etwas in seinem Rücken. Als stünde jemand hinter ihm. Als hauchte jemand ihm seinen Atem in den Nacken. Nein, es war nur Einbildung. Da war niemand. Nur Leere. Eine Träne rollte über seine Wange.
    »Natalie«, flüsterte er, »warum …?« Er hätte sie so gerne näher kennengelernt, sie wäre es wert gewesen. Bestimmt hätte er sich noch richtig in sie verliebt, volle hundert Prozent. Alles war ja noch am Anfang. Alles wäre gut geworden. Wieso hatte er die Chance nicht gekriegt? Wieso hatten sie beide diese Chance nicht gekriegt? Wieso war alles vorbei gewesen, ehe es richtig angefangen hatte? Natalie, Natalie …
    Auf dem Fensterbrett standen ein Foto, auf dem sie noch sehr kindlich aussah, und eine Kerze mit Trauerflor. Wie traurig sie auf dem Bild wirkte, so als wüsste sie schon, wie es mit ihr enden würde. Und vielleicht hatte sie es ja gewusst. Aber vielleicht ist alles auch ganz anders gewesen, dachte er dann. Tristan. Er hatte alles verändert. Was war sein Anteil daran, dass Sascha nun hier stand, in Natalies Zimmer, allein, wie in einer leeren Gruft? Sascha fuhr sich durch die Haare und erinnerte sich wieder daran, warum er hier war.
    Als Erstes nahm er sich die Pinnwand über dem Schreibtisch vor, die voller sich überlappender Notizzettel und Fotos war. Die meisten Bilder zeigten Natalie und Alina, mal eine allein, mal beide zusammen, mal lachend, mal ernst, aber nie mit irgendwelchen anderen Leuten. Auch nicht mit einem Jungen, der Tristan hätte sein können.
    Sascha überflog die Notizen auf den Zetteln. Nichts, was auf Tristan hingewiesen hätte. Auf dem Schreibtisch lagen Laptop und Handy. Er klappte den Laptop auf und schaltete ihn ein. Während das Gerät hochfuhr, sah er sich das Handy an. Falls es mit einer PIN gesichert war, hatte er keine Chance, an die gespeicherten Kontakte und SMS zu gelangen. Aber das Problem stellte sich nicht, das Gerät machte keinen Mucks. Entweder war es kaputt, oder der Akku war leer.
    Als der Laptop bereit war, klickte Sascha das Windows-Mail-Symbol auf dem Desktop an. Das Programm startete, der E-Mail-Account war zum Glück nicht passwortgeschützt. Er durchsuchte die Kontakte, überflog die letzten E-Mails und checkte sogar den virtuellen Papierkorb. Doch nirgends ein Hinweis auf Tristan.
    Während der Laptop runterfuhr, durchsuchte Sascha den Schreibtisch, danach waren das Nachtkästchen und ein paar mit bunten Glitzersternen beklebte Schachteln im Regal dran. Alles, was er fand, war ein anscheinend schon etwas älterer, leerer Briefumschlag, auf dessen Rückseite ein herzförmiger Sticker mit Alinas Adresse klebte. Er steckte ihn ein. Als er einen Schritt nach hinten machte, kickte er versehentlich den Papierkorb um.
    »Shit«, fluchte er leise und begann, den verstreuten Abfall einzusammeln. Doch dann hielt er inne. Auf einem Fetzen stand in schwarzer Tinte:
Sasch.
Sollte das vielleicht
Sasch-a
heißen? Dort lag ein zweiter Schnipsel.
Hi
, stand darauf. Er hielt die Kanten der beiden Stücke aneinander. Sie passten.
Hi Sascha
. Ein Schauder lief über seinen Rücken. Hatte Natalie ihm schreiben wollen, es sich aber anders überlegt und den Brief zerrissen?
    Im Flur schrillte die Türglocke. »Mist«, zischte Sascha, sammelte hastig alle Fetzen ein, die er zu fassen bekam, stopfte sie in seine Hosentasche und packte den Rest des Abfalls zurück in den Papierkorb. Schon hörte er draußen Schritte.
    »Sascha?« Natalies Mutter.
    Sich taub zu stellen, hatte keinen Sinn. Wie vor einem Sprung ins kalte Wasser hielt er die Luft an und trat in den Flur.
    Frau Wagner sah ihn irritiert an. »Was hast du in Natalies Zimmer gemacht?«
    »Entschuldigung«, sagte er, »ich wollte nicht … Es ist nur … Ich weiß auch nicht …«
    Frau Wagner glaubte zu verstehen und nickte gerührt.
    Sascha atmete aus. Er fühlte sich schlecht. Obwohl er eigentlich nichts Falsches gesagt hatte, kam

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