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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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telefonisch geregelt. Da machte er einen recht umgänglichen Eindruck. Aber als ich verlangt hab, dass Mareike sich bei mir entschuldigt, wurde er gleich patzig.« Gerd kam auf Joy zu. »Also, wenn ich dir einen Rat in Bezug auf deinen Freund und diese Mareike geben darf: Am besten, er lässt die Finger von ihr. So jemand bringt nur Ärger.«
     
    ES WAR SCHON spät, als Mareike anrief. Sascha hatte längst aufgehört, auf einen Anruf von ihr zu warten, und surfte ziellos im Internet, auf der Suche nach neuen Musikclips. Joy hatte sich bis dahin auch nicht gemeldet. So hatte der Tag ganz allein ihm und seinem Chemiebuch gehört.
    »Kannst du in einer Stunde bei Tristans Haus sein?«, fragte Mareike nun ohne lange Vorreden.
    »In einer Stunde?« Er schaute auf die Uhr. »Das wäre dann halb eins.«
    »Schaffst du das?«
    »Nur, wenn meine Mutter nichts merkt. Nach unserem Galeriebesuch war sie ziemlich angepisst, weil ich so spät nach Hause gekommen bin.«
    »Das solltest du ja wohl hinkriegen. Und bring eine Taschenlampe mit. Ich warte hier auf dich.«
    Ende des Gesprächs.
    Ausgerechnet jetzt rief auch noch Joy an. Den ganzen Tag hatte sie ihn schmoren lassen, jetzt hatte er keine Lust, mit ihr zu reden. Deshalb ging er nicht ran, sondern schlurfte ins Wohnzimmer, wo der Fernseher lief – irgendein Fernsehkrimi – und seine Mutter schlafend auf dem Sofa lag. Es dauerte bei ihr meist keine halbe Stunde, bis sie eingedöst war. Vor allem, wenn sie, wie an diesem Abend, ein oder zwei Gläser Wein getrunken hatte.
    »Gute Nacht, Mama«, sagte er so laut, dass sie aufwachte. »Ich geh ins Bett.«
    Sie blinzelte, lächelte, nickte. »Gute Nacht. Ich geh auch gleich. Ich schau nur noch den Krimi zu Ende.«
    Er verschwand in sein Zimmer, wo er eine kleine Taschenlampe aus dem Nachttisch holte und wartete. Spätestens in zehn Minuten würde seine Mutter wieder tief und fest schlummern. Zur Sicherheit gab er fünf Minuten drauf, dann schlich er in den Flur, schnappte sich Schuhe und Jacke und verließ die Wohnung. Während er sich im Treppenhaus eilig anzog, ging die Nachbartür halb auf, und Joy stand vor ihm, in Schlafanzughose und T-Shirt. Hatte sie etwa am Spion auf ihn gelauert?
    »Wo gehst du denn noch hin?«
    »Nur kurz weg.«
    »Und dazu brauchst du eine Taschenlampe?«
    Mist! Er hätte sie nicht einfach auf die Stufe legen, sondern gleich in die Jackentasche schieben sollen.
    »Muss nur was nachsehen. Unten im Hof.«
    Zum Glück fragte sie nicht weiter. Wahrscheinlich ahnte sie, dass er log. Er schämte sich dafür, aber konnte er ihr sagen, dass er zu einem Einbruch ging? Je weniger sie wusste, desto besser.
    »Wieso bist du vorhin nicht ans Handy gegangen?«
    »Du hast angerufen? Hab nichts gehört.«
    Sie sah zu, wie er sich, auf einer Treppenstufe sitzend, die Schnürsenkel band. Es schien so, als wollte sie etwas sagen. Doch sie schwieg. Schließlich richtete er sich auf und schlüpfte in die Jacke.
    »Ich muss los. Lass uns morgen telefonieren.«
    Joy schloss die Tür.
     
    SASCHA SCHLUG DEN Jackenkragen hoch. Ein kühler Wind war aufgekommen. Zügig ging er die Straße hinab, auf das Haus zu, in dem – vielleicht – Tristan wohnte. Dabei hielt er die Augen nach Mareike offen, konnte sie aber nirgends sehen. Als er vor dem Eingang ankam, sprach ihn plötzlich von hinten jemand an: »Polizei. Was machen Sie hier um diese Zeit, junger Mann?«
    Er erschrak heftig und wandte sich um. Mareike stand grinsend vor ihm, wie immer im perfekten Outfit. Im Haar trug sie einen schimmernden Reif, dazu eine halblange, dunkelblaue Jacke, die bis zum Hals geschlossen und mit einem Gürtel eng zugezogen war, und eine Röhrenjeans.
    »Sehr witzig«, sagte er.
    »Komm.«
    Er folgte ihr um die Ecke, zur eingerüsteten Rückseite des Hauses. Ein paar Fenster glommen im Widerschein von Fernsehern, die anderen waren dunkel. Auch die, die zu M. Engelharts Wohnung gehörten.
    »Willst du das wirklich durchziehen?«
    »Was denkst du denn?«
    Mareike stieg als Erste die Leiter hoch, er folgte ihr mit etwas Abstand. Ohne Mühe erreichten sie den dritten Stock. Das Gerüst war ein Geschenk an jeden Einbrecher. Allerdings war in so einer runtergekommenen Bude wahrscheinlich nichts zu holen, was einen Einbruch gelohnt hätte.
    Mareike zog eine Taschenlampe aus ihrer Jacke. »Hast du auch eine dabei?«
    »Klar.« Er holte sie heraus.
    Wie zwei geisterhafte Finger strichen die beiden Lichtkegel durch den Raum hinter dem Fenster, tasteten

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