Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
Vom Netzwerk:
einer dicken Wand aus Plexiglas.
    Erst als das Taxi in seine Straße einbog und er dem Fahrer sagte, in welchem Haus er wohnte, löste sich Mareikes Haltung. War das auf ihrem Gesicht gar der Anflug eines Lächelns? Das Taxi hielt ohne dass er zu einem Entschluss gekommen wäre.
    »Ich ruf dich an«, versprach Mareike.
    Als er wieder in der Wohnung war, erreichte ihn eine SMS . Er kannte die Nummer des Absenders nicht. Die Nachricht war denkbar kurz:
    ☺
    M.
    Er brauchte ein wenig, bis er begriff, was die Botschaft dahinter war. Ihre Rufnummer war zum ersten Mal nicht unterdrückt. Sie hatte ihm ihre Handynummer gegeben. Anscheinend begann sie, sich ihm zu öffnen. Ihm zu vertrauen.
     
    KURZ VOR MITTERNACHT meldete sich sein Handy. Sascha zeichnete gerade an einem gnadenlosen Gefecht zwischen zwei selbst erdachten Roboterkampfmaschinen, im Hintergrund lief Eminem. Er fürchtete, es sei Mareike, weil er ihre SMS nicht beantwortet hatte. Er wusste einfach nicht, was er ihr schreiben sollte. Er freute sich über ihren Vertrauensbeweis, aber er wollte keine falschen Hoffnungen wecken.
    Zum Glück war es Joy. Doch die Erleichterung hielt nicht lange an. Er hatte ihr versprochen, sie anzurufen, wenn er wieder da war, und ihr alles zu erzählen.
    »Störe ich?« Sie klang seltsam gedämpft.
    »Nee.« Er legte den Bleistift hin und lehnte sich zurück. »Alles okay bei dir? Du hörst dich irgendwie komisch an.«
    »Echt? Das täuscht. Bin nur ein wenig müde. Was machst du gerade?«
    »Ich kritzle ein wenig rum und hör Musik.«
    »Wie war’s mit … Mareike?« Es schien ihr nicht leichtzufallen, den Namen auszusprechen.
    »Ganz okay. Sie hat mir von einer Adresse erzählt, bei der sie Natalie mal abgeholt hat. Vielleicht die von Tristan. Dem gehen wir noch nach.« Er blieb absichtlich vage.
    »Cool. Können wir ja morgen machen.«
    »Äh … Klar. Das heißt … Eigentlich mach ich das mit Mareike. Immerhin kommt der Tipp von ihr und …« Ihm wurde heiß bis in die Haarspitzen.
    »Oh. – Verstehe.«
    Er setzte sich aufrecht, rutschte bis an die Stuhlkante vor. »Ich würde viel lieber mit dir, das weißt du. Aber ich kann schlecht zu Mareike sagen: Danke für die Info, aber jetzt bist du nicht mehr gefragt.«
    »Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen, Sascha. Ist schon okay.«
    So, wie sie das sagte, hörte es sich überhaupt nicht okay an. Es hörte sich eher an wie: Ich bin sauer. Oder, noch schlimmer: Ich bin so was von enttäuscht von dir.
    Er stand auf, ging zur Stereoanlage und drehte die Lautstärke runter. »Tut mir leid, ich hab … nicht schnell genug geschaltet, und da hatte ich schon Ja gesagt und …«
    Joy schwieg. Er überlegte, ob er ihr vorschlagen sollte, dass sie rüberkam. Oder sie sich auf dem Balkon trafen. Aber er war nicht scharf drauf, dieses Gespräch unnötig in die Länge zu ziehen.
    »Es ist nicht so, wie du denkst«, redete er drauflos, als er das Schweigen nicht mehr ertrug, »Mareike ist einfach nur lässig. Ihre Eltern haben anscheinend endlos viel Geld, und sie kann tun und lassen, was sie will. Sie muss nicht mal zur Schule. Neulich sind wir nachts in eine Galerie in der Barer Straße eingestiegen, weil sie mir unbedingt ein paar Bilder zeigen wollte. Schon die Idee ist doch total krass, oder? War aber halb so schlimm. Ich hab hinterher rausgefunden, dass sie das mit dem Besitzer abgesprochen hatte. Die Bilder waren übrigens wirklich toll, von einem René Sommer, nie gehört, aber wenn du willst, können wir mal hingehen und sie uns ansehen.«
    Warum erzählte er ihr das überhaupt? Ihr Schweigen war ohnehin größer und stärker als alles, was er sagen konnte.
    »So, so«, kam es nur aus dem Hörer, als ihm nichts mehr einfiel. »Lass uns morgen weiterreden. Mir fallen schon die Augen zu. Gute Nacht.«
    Ehe er noch etwas sagen konnte, hatte sie schon aufgelegt.

[zurück]
     
    GOTTVATER GIBT SICH mal wieder die Ehre. Seine Schritte hallen durchs Haus. Wie die Alte Schlampe gleich wieder um ihn rumhechelt, wie ein erbärmlicher Mistköter um sein Herrchen. Das ganze Gejammer, das ich mir tagelang anhören durfte – vergessen. Ich krieg bei der so was von das Kotzen! Wird nicht lange dauern, bis er ihr wieder mit einem spitzen Wort ihr jämmerliches Herz aufsticht, und dann kratzt sie wieder an meiner Tür, das dumme Miststück. Dann heult sie, und wenn sie aufhört zu heulen, wird sie gemein und glaubt, mich für alles büßen lassen zu müssen.
    Die beiden haben einander so was

Weitere Kostenlose Bücher