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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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bis in die feinste Faser seines Körpers. Unmöglich! Das konnte nicht sein! Nicht Androsch!
    Plötzlich tauchte von hinten eine Hand auf, nahm ihm die Maus weg und schloss mit einem Klick den Webbrowser. Joy! Richtig, die war ja auch noch da. Zum Glück.
    »Ist doch alles Schwachsinn, was die schreiben«, sagte sie. »Dieses Lügenblatt verdreht doch ständig die Tatsachen, wenn sie nicht gleich alles frei erfinden.«
    Schweigend starrte er auf den Bildschirm. Natürlich hatte sie recht. Aber da waren ja noch Alinas Tagebucheintragungen. Hatte Bruno richtig gelegen mit seinem Verdacht? Und hatte nicht auch seine Mutter in dem Telefongespräch eben davon gesprochen, dass Androsch vielleicht tiefer in die Sache verstrickt war? Gehörten die Sachen, die sie gefunden hatten, am Ende gar nicht Mirko, sondern ihm? Als sein Vater hatte er vielleicht einen Schlüssel zu der Wohnung. Oder? – Er konnte nicht mehr denken. In seinem Kopf drehte sich alles, Dinge, die eben noch klar gewesen waren, verwischten und lösten sich auf. Er hielt es nicht mehr aus. Konnte nicht mehr aufrecht sitzen. Glaubte, jeden Moment vornüberzukippen.
    »Was ist denn mit dir, Sascha?« Joys sandige Stimme. Tat gut.
    »Bin nur müde. Muss mich jetzt echt … hinlegen.«
    Die Hände auf die Tischplatte gestützt, schob er sich hoch. Glücklicherweise waren es zum Bett nur ein paar Schritte. Schwer wie ein Kartoffelsack plumpste er aufs Kissen. So war es besser. Joy setzte sich auf die Bettkante und sah ihn an.
    »Kann ich dir irgendetwas Gutes tun? Tee? Kaffee? Was zu essen?«
    Er schüttelte den Kopf. Wie sie ihn ansah aus ihren großen, dunklen Augen. So, als wollte sie ihn gleich küssen. Aber das träumte er bestimmt nur, er schlief ja schon halb. Ohne sich dessen ganz bewusst zu sein, streckte er die Hand nach ihr aus, berührte ihren Unterarm. Der Ärmel war hochgeschoben. Ihre Haut war weich wie Schaum.
    »Ich hab die letzten beiden Nächte fast nicht geschlafen«, sagte er, »ich muss einfach nur pennen.«
    »Okay.« Sie stand auf. »Dann lass ich dich besser mal allein.«
    Er sah ihr nach, bis die Tür hinter ihr zugegangen war. Dann schloss er die Augen. Und das brachte sie zurück. Es brachte auch andere Bilder und Vorstellungen: Androsch, der vielleicht schlimme Dinge getan hatte; Mirko, sein missratener Sohn; die unberechenbare Mareike; die sterbende Natalie. Er griff in die Hosentasche, holte das Glitzerherz heraus, das er immer bei sich trug, und schloss es fest in der Faust ein. Die glatte, harte Oberfläche zu spüren, half. So schlief er ein.

[zurück]
     
    »ICH BIN HIER!«, höre ich ihn aus dem Dunkel in der Unterführung rufen.
    »Bleib, wo du bist. Ich komme zu dir«, antworte ich.
    Ich klettere an der Absperrung hoch. Dort im Dunkeln wird man ihn erst finden, wenn hier tatsächlich mal renoviert wird, fällt mir ein. Und das kann ewig dauern, so lange, wie die Unterführung schon gesperrt ist, ohne dass was passiert. Wieso fällt mir das erst jetzt ein? Es ist zwar keine große Sache, die Leiche zum Eingang zu ziehen, aber so was ärgert mich. Ich müsste an alles denken. Vorher. Lasse ich nach? Fange ich an, Fehler zu machen?
    Mit einem Satz lande ich auf dem Boden und gehe tiefer in den dunklen Schlauch. »Ich bring dir Fressalien und Zigaretten.« Der Rucksack gleitet von meinen Schultern. »Und was zu trinken. Cola. Ist doch okay?« Meine Augen gewöhnen sich an das Halbdunkel, ich kann ihn jetzt besser sehen.
    Er sieht erbärmlich aus. Ist ja auch kein Wunder, schließlich lebt er seit ein paar Tagen in einer Unterführung. Er wird zu dem Penner, der er eigentlich schon längst war. Aber nicht mehr lange, Mirko, dann bist du erlöst.
    »Hier!« Ich ziehe die Tüte mit dem Essen aus dem Rucksack und reiche sie ihm. Er nimmt sie, setzt sich an die Wand und schaut hinein.
    »Kein Obst?«
    Ich möchte ihm am liebsten eine reinhauen. Aber wozu noch der Aufwand? Ich bin heute zum letzten Mal hier, dann ist das alles vorbei. Er holt ein Sandwich heraus, nimmt es aus der Verpackung und beginnt zu essen. Obwohl ich mich ekle, lasse ich mich neben ihm nieder.
    »Hier«, sage ich noch mal und stelle die angebrochene Cola-Flasche zwischen uns. »Ich hatte auf dem Weg Durst und hab was getrunken. Ist doch okay, oder?«
    »Klar. Aber eine Flasche ist ein bisschen wenig.«
    »Ist noch eine im Rucksack.«
    Ich zünde mir eine Zigarette an.
    Kauend sitzt er da und starrt ins Leere. Sein Schmatzen geht mir auf die Nerven. Er ist so ein

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