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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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Hörte, wie das Papier knisterte und brannte, spürte, wie der Rauch ihre Lungen füllte. Sog ihn ganz tief in sich hinein. Durch die Rauchwolke, die sie ausstieß, sah sie das Wohnzimmer wie durch einen Schleier. Sie hielt die Zigarette zwischen den Fingern und betrachtete die glühende Spitze. Das Zittern in ihren Händen vom Alkohol und den Drogen der letzten Nacht ließ allmählich nach. Tee und Nikotin halfen dabei. Sie nahm erneut einen Zug, schlug die Beine unter und betrachtete Ben, der auf dem Boden spielte.
    Flucht. Das war es, woran sie gerade dachte. An Flucht.
    Und an Faith.
    Flucht. Damit kannte Donna sich aus. Hatte praktisch das Handbuch dazu geschrieben. Wenn es irgendwas gab, worin Donna Expertin war, dann im Abhauen.
    So war sie in ihre derzeitige Situation geraten. So waren alle Mädchen da reingeraten, wenn sie ehrlich waren. Was sie aber meistens nicht waren. Jedenfalls nicht gegenüber Leuten, die ihnen egal waren. Und das waren genau die Leute, mit denen sie am häufigsten zu tun hatten. Freier. Bullen. Sozialamt. Manchmal alle auf einmal.
    Abhauen. Weglaufen. Sie alle liefen vor irgendwas weg. Sie war da keine Ausnahme. Vor brutalen Ehemännern. Vor Vätern, die ihre Töchter vergewaltigten. Vätern, Onkeln und Freunden. Vor Familien, die keine waren. Weglaufen, die ganze Zeit nur weglaufen.
    Deshalb waren sie alle so am Arsch. Auch sie selbst. Dieser verdammte Zwang zur Flucht.
    Egal wohin. In ein anderes Leben. Andere Identität, anderer Name. Fluchtmöglichkeiten gab es genug. Pillen. Alk. Crack. Gras. Alles toll. Wenn man runterkam, war das die Hölle – na und? Dann besorgte man sich eben Nachschub. Dröhnte sich gleich noch mal zu.
    Flucht.
    Erneut probierte sie den Tee. Der war inzwischen so weit abgekühlt, dass man ihn trinken konnte. Dann ein weiterer tiefer Zug an der Zigarette.
    Faith hatte die ganze Zeit davon geredet, dass sie vor irgendwas auf der Flucht sei. Vor irgendwas weglief. Hatte ständig irgendwelche Geschichten auf Lager gehabt. Donna hatte nie so genau zugehört. Sie hatte ihre eigenen Geschichten. Manchmal erzählte sie sie, und dabei veränderten sie sich jedes Mal. Es war nie dieselbe Geschichte. Aber wahr waren sie trotzdem immer, wenigstens in dem Moment, in dem sie sie erzählte.
    Aber die Geschichten von Faith waren immer genau gleich geblieben. Dass sie vor irgendwas Großem auf der Flucht sei. Dass sie abgehauen sei. Sie dürfe nichts verraten, aber sie sei abgehauen.
    Donna hatte immer nur mit halbem Ohr hingehört. Wenn es so ein dickes Ding ist , hatte sie gesagt, warum gehst du dann nicht zur Zeitung damit? Oder ins Fernsehen?
    Faith hatte bloß gelacht. Da sitzen die doch auch, was glaubst du denn? Wenn ich’s dir sage, das ist eine Riesen­sache. Gigantisch. Da stecken alle mit drin.
    Donna hatte gelacht.
    Unauffällig bleiben. Das ist das Beste. Damit ich sicher bin. Und Ben. Vor allem Ben. Eigentlich sind sie nämlich hinter ihm her. Wenn mir irgendwas zustößt, dann werden sie ihn sich schnappen.
    Und so weiter, und so weiter. Donna hatte sie reden lassen. Albernes Ding. Albernes kleines dummes kaputtes Ding.
    Viele von den Mädchen redeten so ein Zeug. Alkphantasien. Crackträume. Haschpsychosen. Und sie waren allesamt wahr, ihre Geschichten, alle wirklich passiert. Donna vergaß sie immer sofort wieder. Ihre eigenen Geschichten waren genauso wahr. In dem Moment, in dem sie sie erzählte.
    Aber Faith … die hatte einfach nicht lockergelassen. Nie.
    Wenn mir was passiert , hatte sie eines Abends gesagt, während sich ihre Augäpfel von Skunk und Wodkashots wie irre bewegten. Egal was, ein Unfall oder so. Wenn mir was passiert … dann waren die das. Weil die hinter mir her waren. Dann haben die mich erwischt. Und wenn die das geschafft haben, wenn das passiert … dann musst du mir versprechen … mir versprechen …
    Donna hatte einen Zug vom Skunk genommen und es ihr versprochen.
    Ich hab doch noch gar nicht gesagt, was. Versprich mir … dass du dich um Ben kümmerst. Pass auf, dass sie Ben nicht in die Finger kriegen. Ganz egal, was du machst, pass auf, dass sie ihn nicht kriegen.
    Donna hatte gedacht, Faith wolle sie verarschen, aber als sie ihr in die Augen gesehen hatte, in ihre blutunterlaufenen, gebrochenen Augen, da hatte sie erkannt, dass ihre beste Freundin es todernst meinte.
    Also hatte sie es ihr versprochen. Was auch immer.
    Faith war erleichtert gewesen. Sie werden auf jeden Fall kommen. In einem großen Auto. Zu zweit. Zwei

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