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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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den Flur. Sein Gesicht ist grau vor Müdigkeit, und er sieht alt aus. Seine Augen sind das einzig Lebendige in dem faltigen Gesicht, sie funkeln zornig wie die eines jungen Mannes. Er kneift sie zusammen und sieht mich durchdringend an. Ich denke an das, was ich ihm angetan habe, und spüre einen Anflug von Mitleid.
    Im Gericht hat er nicht mit mir gesprochen, all die Worte stecken noch in seiner herausgestreckten Brust. Die Hände hat er tief in den Taschen seines alten Regenmantels vergraben. »Was hast du gemacht?«
    Ich setze eine gelassene Miene auf und wedele mit meiner Scheibe Toast. »Gegessen.«
    »Spar dir die Spitzfindigkeiten«, fährt er mich an. »So etwas funktioniert vielleicht bei deiner Mutter, aber mir machst du nichts vor. Warum hast du uns nicht gesagt, dass du in einer psychiatrischen Klinik warst?«
    Ich werde unsicher, bleibe jedoch bei meinem Ausweichmanöver, denn etwas anderes fällt mir nicht ein. »Ich wollte euch nicht beunruhigen.«
    Er rückt dichter an mich heran. Ich rieche seinen Atem. Offenbar hat er sich am Morgen die Zähne nicht geputzt. Aus der Nähe sieht sein Gesicht noch schrecklicher aus.
    »Wir wussten nicht, wo du warst. Das war für uns beunruhigend. Ich habe sogar im College angerufen und gefragt, ob sie etwas über deinen Verbleib wissen. Man hat dich entlassen, richtig?«
    »Universität«, verbessere ich, wende mich ab und kehre in die Küche zurück.
    Mein Vater bleibt mir dicht auf den Fersen. Es kostet mich Mühe, den letzten Bissen Toast herunterzuschlucken, er kratzt im Rachen. Ich muss etwas trinken, in meinem Nacken setzen Kopfschmerzen ein. Am liebsten wäre mir, mein Vater würde sich setzen, aber wenn ich ihn darum bitte, wird er sich vermutlich weigern. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt, sie heben und senken sich mit seinem erregten Atem. Ich setze mich an den Tisch, schiebe den Teller mit den Toastkrümeln zur Seite und trinke einen Schluck Tee.
    Er starrt mich an. »Ich warte auf eine Antwort.«
    »Ich bin nicht entlassen worden. Nur suspendiert. Bis die Verhandlung vorüber ist.«
    »Warum hast du uns nicht die Wahrheit gesagt, Alice?«
    »Weil ich euch keine Sorgen machen wollte. Außerdem bekomme ich meine Stelle bald zurück.«
    »Von der Stelle habe ich nicht gesprochen, sondern von David. So hieß er doch, oder? David Jenkins, nicht Richard. In der Zeitung stand auch nie, dass er Krebs im Endstadium hatte.
    Ich weiche seinem Blick aus.
    Er greift in seine Manteltasche und zieht ein zerknittertes Stück Papier heraus. Ich erkenne es sofort, denn ich habe es schon einmal gesehen. Es ist ein Flugblatt der Hemlock Society von einem Gutmensch namens Roy, einem Mann, der mich zu seinem Anliegen gemacht hat.
    Mein Vater ist offenbar nicht gewillt, sich auf meine Seite zu schlagen, er wirkt verletzt. »Was hast du nur getan, Alice? Deine Mutter ist krank vor Sorge.«
    Mein Kopf ruckt hoch, ich studiere seine Miene. »Wie viel weiß sie?«
    »Die Zeitungen habe ich vor ihr versteckt, aber das, was sie heute im Gericht gehört hat, war schlimm genug. Der Himmel mag wissen, was sie darüber denkt, ich kann es nicht sagen.«
    »Natürlich nicht«, entgegne ich bitter. »Das würde ja voraussetzen, dass ihr offen miteinander sprecht.«
    Er macht einen Schritt auf mich zu, ballt die Hände zu Fäusten. »Versuch nur ja nicht, mir und deiner Mutter die Schuld zuzuschieben. Gott weiß, dass wir bei dir unser Bestes gegeben haben. Ist das jetzt die Art und Weise, wie du dich dafür erkenntlich zeigst?«
    Irgendetwas in mir reißt. »Ich soll mich euch gegenüber erkenntlich zeigen? Entschuldige bitte, aber mir war nicht klar, dass ich in eurer Schuld stehe. Oder läuft das so, wenn man ein Kind adoptiert? Schießt man dann einen Kaufpreis vor und erwartet ihn später zurück?«
    Dad lässt sich schwer auf die Holzbank mir gegenüber sinken und fährt sich mit der Hand über das zerkratzte Kinn. »Das habe ich zwar nicht gemeint, aber jetzt, da du es sagst, kommt mir der Gedanke, dass es tatsächlich so sein könnte. Wir haben dich aufgenommen und sind für deinen Unterhalt aufgekommen. Wir wussten, dass du einen schweren Start ins Leben hattest, aber mir ist klar, dass du anders bist, dass du klug bist, aber das hier … in deinem Haus ist ein Mann gestorben, Alice. In der Zeitung stand … da stand noch etwas. Dass er sich kastriert hat und du … Gott, wie widerwärtig das …«
    Ich will nichts mehr davon hören und falle ihm ins Wort. »Ich frage

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