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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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der Kommode und quetschte sie zu den anderen. Dann war die Kommode fast leer, wie ein Häuschen aus Holz oder ein Schiff, in dem man sich verstecken konnte. Allerdings hätte man sie dann auf den Rücken legen müssen und Wasser gebraucht. Im Schwimmbecken war Wasser, daran wollte Alice jetzt denken und an ihre Mutter, die wie eine Nixe durch ihre Beine schwamm. Sie waren schon lange nicht mehr schwimmen gegangen, seit Mr   Wilding Mummys Freund geworden war, nicht mehr.
    Auf dem Boden des Schiffs lagen ihre Schwimmflügel, schlaff und ohne Luft, darunter steckte ihr türkisfarbener Badeanzug mit dem rosa Flamingo auf der Brust. Sie mochte das Bild des rosa Vogels und überlegte, warum er nur auf einem Bein stand. Musste er nicht umfallen? Alice schnappte sich den Badeanzug und verbarg ihn hinter ihrem Rücken, aber ihre Mutter merkte es gar nicht, sie hatte genug damit zu tun, den Reißverschluss des Koffers zuzuziehen. Er sah aus wie ein zubeißender Hund. Alice wollte das nicht, denn nur ihr Koffer war gepackt worden. Sie sollte irgendwohin gebracht werden, doch dahin wollte sie nicht allein gehen. Sie würde ihre Mummy nicht verlassen.
    Alice stopfte den Badeanzug in die Kommode, ganz hinten in eine dunkle Ecke, wo ihre Mutter nicht hinschauen würde. Wenn sie ihn dort zurückließ, musste sie wiederkommen und ihn holen, denn Mummy würde sie sicher nicht ohne den Badeanzug gehen lassen. Oder etwa doch?
    Ihre Mutter drückte sie fest an sich, so fest, dass Alice keine Luft mehr bekam, und sagte: »Warum, Alice? Ich weiß nicht, wie das werden soll. Nirgends ist für uns Platz.«
    Mummy hatte gelogen, denn am nächsten Tag war sie für immer verschwunden.
    Als Alice wach wurde, war ihre Mummy fort.
    Am Abend zuvor war Alice lange aufgeblieben. Sie hatten heißen Kakao getrunken. Mummy hatte ihre Fingernägel lackiert, zuerst die von Alice, dann ihre eigenen. Dann kamen die Fußnägel an die Reihe. Der Geruch des Nagellacks lag noch in der Luft. Alice betrachtete ihre hübschen rosa Fingernägel und fragte sich, wo ihre Mutter war.
    Die Tür ihres Zimmers stand weit offen. Wenn Alice vergaß, die Tür zu schließen, schimpfte ihre Mutter. Sie nahm ihre Barbiepuppe, stand auf und ging zur Tür. Sie hatte Hunger, demnach musste es Frühstückszeit sein. Kalt war ihr auch, deshalb zog sie ihre Strickjacke über das Nachthemd – ihre Lieblingsstrickjacke. Die fliederfarbene mit dem Perlenknopf, die Mummy gestrickt hatte.
    Sie fand ihre Mutter nicht, auch nicht im Bad. Alice drückte den Griff von Mr   Wildings Tür herunter, die nicht verschlossen war. In seinem Zimmer herrschte großes Durcheinander. Der Tisch war zerbrochen, auf dem Fußboden lagen Glasscherben. Die Kisten mit seinen Sachen waren verschwunden, nur noch Reste lagen wie Müll herum. Alice entdeckte einen Teller, auf dem ein Sandwich lag. Da sie hungrig war, schlich sie sich vorsichtig näher. »Du musst aufpassen«, sagte sie zu Barbie. »Tritt nicht auf die Scherben.« Auf dem Sandwich war Käse. Sie bot Barbie etwas davon an und biss selbst ein Stück ab. Dann sah sie einen Fuß. Es war Mummys Fuß, das erkannte sie an den leuchtendrosa Zehennägeln.
    »Mummy«, sagte sie erleichtert, wunderte sich allerdings, dass ihre Mutter auf dem Fußboden zwischen dem Bett und der Wand schlief. Außerdem hatte sie nichts an.
    Alice streifte ihre Lieblingsjacke ab und legte sie behutsam über ihre Mummy. Die Jacke war zu klein, um sie ganz zu bedecken. Das Mädchen strich sie über einem Arm und einer Schulter glatt.
    Dann legte sie sich zu ihrer Mutter und schmiegte sich an sie. Mummy war schön warm, schlief aber offenbar sehr tief, denn sie bewegte sich nicht. Später aß Alice ihr Sandwich auf und strich ihrer Mutter über das Haar. »Aufwachen«, sagte sie. Ihre Mutter regte sich nicht, dafür war sie zu müde. Also sang Alice ihr etwas vor.
    »Weißt du, wie viel Sternlein stehen …«
    Nach der ersten Strophe musste sie gähnen, denn sie selbst war auch noch müde. Aber bei ihrer Mummy war sie sicher. Da war es kuschelig. Sie schloss die Augen und schlief ein.
    Später, sehr viel später, wurden sie entdeckt. Auf einmal kamen ganz viele Menschen.
    Eine Frau, die sie nicht kannte, setzte Alice in ein Auto und gurtete sie an. Mummy war noch oben in dem Haus, lag noch immer auf dem Fußboden, doch die Frau rückte Alice zurecht und schenkte ihr ein dünnes Lächeln. Neben ihr auf dem Sitz standen der hellblaue Koffer mit dem Bild von Pu und eine

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