Stirb mit mir: Roman (German Edition)
dem Punkt steige ich aus.
Meine guten Vorsätze verfliegen jedoch, wenn ich in Robins Haus bin. Das müsstest du mal sehen, Krish. Es sieht aus wie aus dem Katalog, unglaublich sauber und weiß. Alles glänzt. Im Kühlschrank tropft nichts, es gibt auch keine Flecken, als wären sämtliche Flaschen und Behältnisse immerzu abgewischt und poliert worden oder als sei der Kühlschrank auch ein Modell und die Nahrungsmittel nur Demonstrationsobjekte, nach dem Motto: ›Bitte nicht essen.‹ Wie könnte ich Robin erzählen, dass ich ein kranker Mensch bin? Das wäre in etwa so, als hätte ich eine verseuchte Ratte in ihr Haus geschleppt. Robin würde zurückweichen und nicht mehr fähig sein, mich zu berühren. Ihr Reinlichkeitsbedürfnis kann ich nachvollziehen, das kenne ich von mir selbst. Ich kann nur den Gedanken nicht ertragen, dass sie mich nicht mehr küsst. Natürlich könnte ich sie beruhigen und erklären, dass meine Krankheit so gut wie nie ansteckend ist, dass sie weder durch Küsse noch durch Sex übertragen wird, aber darauf würde sie sich nicht verlassen, jedenfalls nicht hundertprozentig. Eine gewisse Sorge würde bleiben und ihr ständig durch den Hinterkopf spuken.
Eins ist mir selbstverständlich bewusst, ich bin ja noch nicht völlig verblödet: Wäre meine Krankheit bekannt, würde man Robin später keinen Vorwurf machen. Es gäbe einen Grund für meinen Selbstmord, und Robin würde mit Nachsicht behandelt. Dass sie meine Krankheit nach meinem Tod entdecken, ist unwahrscheinlich. Selbst bei einer Autopsie wird sie nicht ohne Weiteres festgestellt werden, denn zu dem Zweck müssten sie mein Gehirn analysieren, und weshalb sollten sie das tun? Meine medizinischen Unterlagen befinden sich bei Dr. Froy. Auf sie werden sie nur mithilfe langwieriger Ermittlungen stoßen, denn ich wohne ja nicht mehr in der Gegend, in der er seine Praxis hat. Sonst gibt es bloß dieses Tagebuch als Beweis.
Deshalb schicke ich Dir den Stick, Krishna. Ich möchte, dass es jemanden gibt, der die ganze Wahrheit kennt und der meine Entscheidungen versteht.
Im Moment gibt es allerdings nur eine Person, der ich etwas erklären muss, und das ist Robin. Wir müssen einen Handel abschließen. Ich denke, mein Preis wird ihr nicht zu hoch sein. Die Summe entspricht dem Ergebnis, Soll und Haben sind ausgeglichen, schließlich gehe ich davon aus, dass sie ihre eigenen Gründe hat, mir zu helfen. Ihr fehlt nur noch der richtige Glaube.
Doch zuerst muss sie beweisen, dass sie es schafft.
2. Mai
In einem guten Monat werde ich sterben. Dazu habe ich den sechzehnten Juni bestimmt. Es ist ein ganz besonderer Tag, denn an einem sechzehnten Juni hatten meine Eltern einen Autounfall. An diesem Tag habe ich begonnen, an Gott zu glauben.
Der nächste sechzehnte Juni ist ein Freitag. Für die Zeit habe ich Urlaub beantragt, denn als Todeszeitpunkt haben wir Mitternacht ausgemacht. Vielen Dank, dass du bereit warst, für mich einzuspringen. Ich habe dir gesagt, dass ich nach Brighton fahre, für einen Kurzurlaub. Mr Filet muss nur noch meinen Urlaubsantrag unterschreiben. Ich weiß, das ist nur eine Kleinigkeit am Rand, aber ich möchte nicht, dass meine Abwesenheit auffällt. Oder erst dann, wenn es zu spät ist. Würde ich an dem Freitag einfach nicht erscheinen, würdest du bei mir zu Hause anrufen oder die Personalabteilung bitten, es zu tun. Wenn sich dann keiner meldet, könnte jemand auf den Gedanken kommen, die Polizei zu verständigen, schließlich gelte ich als zuverlässig. Deshalb muss es für mein Fernbleiben eine Erklärung geben. Wenn ich am Montagmorgen nicht zur Arbeit erscheine, ist es schon zu spät.
Robin und ich haben alles besprochen und abgemacht, dass sie die Polizei ruft – allerdings erst, wenn ich tot bin. Sie wird sich in Geduld üben und so lange warten müssen, bis klar ist, dass ich nicht wiederbelebt werden kann. Sie wird meinen Abschiedsbrief der Polizei überreichen. Ich hoffe, sie wird nicht verhört und anschließend in eine verdreckte Zelle gebracht, aber wahrscheinlich gibt es festgelegte Verfahren, an die sich die Polizei halten muss. Robin hat gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen, sie komme schon zurecht. Sie bittet mich, nur an den einen Moment zu denken, an den Augenblick meines Todes. Wenn man sie hört, wird dieser erstaunlich sein.
Den Abschiedsbrief habe ich heute im Büro verfasst. Ich mag es, wenn alles ordentlich vorbereitet ist. Als ich dabei war, ihn zu beenden, kamst du
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