Stirb, Schätzchen, Stirb
ja wohl nicht normal, wenn eine Frau am Morgen, nachdem ihre Schwiegermutter erschlagen worden ist, Kaffee und Bagel holen geht.«
»Es ist nicht weiter ungewöhnlich, wenn man etwas völlig Alltägliches, Normales tut und dadurch ein erlittenes Trauma kompensiert.«
»Warum hat sie nicht einfach den Zimmerservice bestellt? Sicher, es war ein billiges Hotel, aber Zimmerservice bieten sie den Gästen trotzdem an.«
»Lassen sie mich weiter Anwältin des Teufels spielen, ja?«, bat Mira Eve. »Vielleicht ist sie es einfach gewohnt, selber Lebensmittel einzukaufen und Mahlzeiten zuzubereiten, vielleicht ist ihr so etwas wie Zimmerservice einfach fremd. Zugegeben, unter den gegebenen Umständen wäre es einfacher und auch vernünftiger gewesen, etwas zu bestellen, aber es fällt mir trotzdem schwer, in diesem Verhalten etwas Verdächtiges zu sehen.«
»Es geht mir vor allem darum, wie rund die Dinge bei ihr laufen. Bei ihr wirkt immer alles so, als hake sie es auf einer Liste ab. Okay, jetzt lass die Tränen fließen. Jetzt sei tapfer, beiß dir auf die Lippe, bedenke deinen Ehemann mit einem hilfesuchenden oder mitfühlenden Blick. Aber vergiss nicht dein Make-up und deine Frisur. All das zeugt von einer gewissen Eitelkeit, die nicht zu ihrer Rolle passt.«
»Sie mögen sie nicht.«
»Nein, ich mag sie nicht.« Eve hielt an einer roten Ampel und trommelte mit ihren Fingern auf das Lenkrad. Mit nackten Fingern, merkte sie. Sie hatte ihre Handschuhe mal wieder im Büro vergessen. Typisch.
»Dabei gibt es, oberflächlich betrachtet, keinen Grund dafür. Es ist einzig mein Instinkt, der mir sagt, dass mit ihr irgendwas nicht stimmt. Irgendetwas ist an ihr verkehrt, auch wenn ich es nicht benennen kann. Vielleicht rede ich auch einfach dummes Zeug, vielleicht bilde ich mir das alles nur ein. Weshalb es für mich von großer Bedeutung ist, was für einen Eindruck sie auf Sie macht.«
»Aber wir setzen sie nicht unter Druck«, schränkte Mira ein.
»Ich werde ihr einfach erzählen, ich hätte eine Psychologin mitgebracht«, fuhr Eve fort, während sie den Wagen parkte. »Um ihr zu helfen, weil sie schließlich ein paar schwere Schicksalsschläge erlitten hat.«
»Und das wird sie glauben?«
Eve verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln. »Sie ist nicht die Einzige, die schauspielern kann. Passen Sie beim Aussteigen auf. Der Bürgersteig ist sicher glatt.«
»Es ist wirklich nett, wenn sich jemand Sorgen um einen macht.«
Leicht verlegen wartete Eve, bis die Straße frei war, stieg dann selber aus, betrat das Hotel und stellte Mira der Frau vom Wachdienst vor. »Hat sich oben irgendwas getan?«
»Mir wurde nichts gemeldet.«
»Hat sie etwas zu essen bestellt?« Auf den erstaunten Blick der diensthabenden Frau erklärte Eve: »Ich wollte nur sichergehen, dass sie sich nicht vernachlässigt. Außerdem muss ich es wissen, falls sich einer meiner Männer was bestellt, damit ich es auf die Spesenrechnung setzen kann.«
»Ich sehe gerne nach.«
»Danke.« Sie trat vor den Fahrstuhl und stieg hinter Mira ein. »Ich wollte nur sehen, wie gut sie sich um sich kümmert«, ging sie auf Miras unausgesprochene Frage ein. »Wird sicher interessant zu sehen, was sie gegessen hat.«
Sie grüßte den Beamten an der Tür. »Ich brauche einen Wagen, um die Zeugin ins Krankenhaus fahren zu lassen, aber sie soll das Haus frühestens eine halbe Stunde nach mir verlassen. Alles klar?«
»Ja, Madam.«
Sie klopfte und wartete, bis Zana ihr öffnete und mit einem strahlenden Lächeln erklärte: »Ich bin so froh, dass Sie gekommen sind. Ich habe gerade mit Bobbys Krankenschwester telefoniert, sie meinte, er wäre wach, weshalb - Oh.« Als sie Mira entdeckte, brach sie ab. »Entschuldigung. Hallo.«
»Zana, das ist Dr. Mira. Sie ist eine Freundin von mir.«
»Tja, nun, freut mich, Sie kennenzulernen. Bitte, kommen Sie doch rein. Kann ich, uh, Ihnen einen Kaffee holen?«
»Das übernehme ich. Dr. Mira ist Psychologin. Ich dachte, dass Sie unter den gegebenen Umständen vielleicht gern mit jemandem reden würden. Und Bobby vielleicht auch. Mira ist die Beste, sie hat auch mir selbst schon sehr geholfen«, fügte Eve lächelnd hinzu und legte eine Hand auf Miras Schulter, um zu verdeutlichen, dass Mira weniger als Psychologin denn als Freundin mitgekommen war.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Vielen Dank, dass Sie so an mich, an uns beide denken.«
»Sie haben schlimme Dinge durchgemacht. Hinterbliebenen von Opfern von
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