Stirb schön
sauber. Detective Superintendent Dave Gaylor, dem man den Fall D’Eath übertragen hatte, war ein überaus erfahrener Mann und würde den Wagen komplett auseinander nehmen lassen, sobald sein Team ihn gefunden hatte.
Nicholas trat neben ihn. »Roy, gerade hat mich der Wirt der Karma Bar unten am Jachthafen angerufen, mit dem ich gestern gesprochen habe. Sie haben sich Videoaufzeichnungen angesehen, weil sie Probleme mit Dealern haben. Er meint, es wäre Material über Janie Stretton dabei.«
Die Aufregung durchzuckte Grace wie ein Blitz. »Wie schnell können wir sie abholen?«
»Er möchte, dass ich komme, weil er die Bänder braucht. Ich kann sie mir sofort anschauen.«
»Jetzt?«
»Ja.«
Grace überlegte kurz. Nick Nicholas war noch nicht lange bei der Kripo, ein kluger Kopf, aber er könnte womöglich etwas übersehen. Und mit etwas Glück hätten sie endlich die erste heiße Spur. Da durfte nichts schief laufen.
»Holen Sie die Fotos, ich komme mit«, sagte er. »Glenn, sobald ich zurück bin, fahren wir zu Mr Bryce.«
»Wird ganz schön spät für ihn«, sagte Branson und dachte dabei an den Rest seines eigenen Sonntagabends.
»Glenn, falls Mr Bryce seine Frau nicht ermordet und keine faulen Tricks mit ihr durchgezogen hat, wird er ohnehin die ganze Nacht wach liegen.«
Branson nickte zögernd. Sein Kollege hatte Recht, aber er sah dennoch auf die Uhr. Mindestens eine Stunde, bis Grace zurück wäre, und sie würden nicht vor elf bei Bryce wegkommen. Er fürchtete sich nicht davor, einem Haufen Schläger mit Messern in der Hand in einer dunklen Gasse gegenüberzutreten, hatte aber eine Heidenangst vor seiner Frau. Und in diesem Augenblick traute er sich einfach nicht, Ari anzurufen und ihr zu sagen, dass er wohl kaum vor Mitternacht zu Hause sein würde.
Und Grace war so aufgeregt angesichts der neuen Entwicklungen, dass er glatt die Meldung übersah, die Sergeant Jon Rye anderthalb Stunden zuvor unter dem Titel Internetklau eingegeben hatte.
57
TOM LAS JESSICA EINIGE SEITEN aus dem Grüffelo vor, aber er war eigentlich nicht bei der Sache, und seine Tochter hörte auch gar nicht richtig zu. Bei Max lief es ähnlich.
Mann, bin ich ein beschissener Vater, dachte er die ganze Zeit. Die Kinder sehnten sich nach ihrer Mutter, was durchaus verständlich war, und er fühlte sich zunehmend ungeeignet, sie zu ersetzen. Selbst Linda Buckley schien ihnen lieber zu sein als er. Die Polizistin wartete unten auf ihre Ablösung, die den Nachtdienst übernehmen würde.
Er legte das Buch weg, küsste seinen Sohn, der noch hellwach war, schloss die Tür und begab sich ins Arbeitszimmer. Dort telefonierte er erneut die Liste durch – Kellies Eltern, die sich stündlich bei ihm meldeten, ihre Freundinnen und ihre besorgte Schwester in Schottland. Niemand hatte von ihr gehört.
Dann ging er ins Schlafzimmer und öffnete die oberste Schublade der viktorianischen Kommode, in der Kellie ihre Pullover aufbewahrte. Er wühlte zwischen den Teilen herum, die nach ihr dufteten. Nichts. Tom versuchte es eine Schublade tiefer bei der Unterwäsche. Und stieß dort auf etwas Rundes, Hartes.
Eine ungeöffnete Flasche Wodka von Tesco.
Eine zweite. Und eine dritte.
Letztere halb leer.
Drei Wodkaflaschen zwischen der Unterwäsche? Er setzte sich fassungslos aufs Bett.
Sicher Wodka trinken. Ich hab sie gesehen. Ich hab versprochen, nichts zu verraten.
Mein Gott.
Tom starrte auf die Flasche. Sollte er Detective Sergeant Branson anrufen und ihm davon erzählen?
Er bemühte sich, klar zu denken. Was dann? Womöglich würde der Ermittler das Interesse verlieren und Kellie für unzuverlässig halten, für eine Frau, die einfach mal zum Saufen um die Häuser gezogen war.
Aber er kannte sie besser. Jedenfalls hatte er das bis vor einer Minute geglaubt.
Tom durchwühlte auch die übrigen Schubladen, fand aber nichts mehr. Er legte die Flaschen zurück, schloss die Schubladen und ging nach unten.
Linda Buckley sah sich im Wohnzimmer eine Krimiserie aus den sechziger Jahren an.
»Sehen Sie gerne Krimiserien?«, fragte er, um Konversation zu machen.
»Nur die alten. In den modernen ist so vieles verkehrt, das macht mich wahnsinnig. Ich sitze nur da und stöhne, das läuft doch ganz anders, um Himmels willen! «
Er fragte sich, ob es klug wäre, sich ihr anzuvertrauen.
»Sie müssen etwas essen, Mr Bryce. Soll ich Ihnen die Lasagne in die Mikrowelle stellen?«, kam sie ihm zuvor.
Tom bedankte sich, sie hatte ja Recht.
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