Stirb schön
frisiert und trug Muskelhemd, Sporthose und eine dicke Halskette. Er drängte sich durch die Menge, ohne Janie loszulassen, und trat an die Bar, worauf er aus dem Blickfeld der Kamera verschwand.
Wenige Minuten später waren sie wieder zu sehen. Der Mann trank ein großes Bier, Janie einen Cocktail. Sie stießen miteinander an, und dann legte er ihr in einer seltsamen Geste die Hand um den Nacken, packte sie am Haar, zog ihren Kopf zurück und küsste sie grob auf den Hals.
Nick Nicholas blickte von den Fotos zum Bildschirm und sagte: »Das ist sie.«
»Keine Frage, ganz eindeutig«, bestätigte Grace. Dann wandte er sich an den Manager: »Und wer ist der Kerl?«
»Keine Ahnung, hab ich noch nie gesehen.«
»Ganz sicher?«
»Nicht hundertprozentig, dazu ist hier zu viel Betrieb. Aber er kommt mir nicht bekannt vor.«
Grace’ Handy klingelte. Ohne die Augen vom Monitor zu nehmen, griff er danach und warf einen Blick aufs Display.
Cleo Morey.
Er entschuldigte sich, stand auf und verließ das Büro.
Sie klang erfreulich kleinlaut. »Ich wollte nur fragen, ob du Lust hast, nachher noch auf einen Drink vorbeizukommen.«
Er schmolz dahin. »Und ob, aber ich habe noch etwa zwei Stunden zu tun.«
»Dann kommst du eben danach, auf einen Schlummertrunk.«
»Hm«, murmelte er verträumt. Leider war dies nicht die Zeit oder der Ort, um das Gespräch zu vertiefen.
»Ich habe Wein, Bier und Wodka.«
»Auch Whisky?«, neckte er sie.
»So ein Zufall aber auch. Erst heute Nachmittag habe ich eine Flasche Glenfiddich gekauft.«
»Du kannst wohl Gedanken lesen.« Er bemühte sich, möglichst cool zu klingen – vergeblich.
»Eins meiner vielen Talente.«
59
CHRIS WILLINGHAM , ein dünner, überhöflicher Beamter Mitte zwanzig, löste Linda Buckley ab. Er hatte einen kleinen Koffer bei sich, in dem er alles für die bevorstehende Nachtwache untergebracht hatte, und ließ sich mit einem iPod und dem Buch Abenteuertrips nach Kroatien zufrieden im Wohnzimmer nieder.
Glenn Branson hatte angerufen, um zu sagen, dass er in einer Stunde noch einmal vorbeikommen werde. Tom fragte sich, ob es wohl neue Informationen gab. Auch war er fest entschlossen, den Ermittler zu fragen, weshalb er ihm nicht schon am Nachmittag gesagt hatte, dass es sich bei dem Vollidioten aus dem Zug um Reginald D’Eath handelte.
Tom ließ Chris Willingham mit einem schwarzen Kaffee und einem Teller Kekse allein und zog sich mit der ungelesenen Sunday Times ins Arbeitszimmer zurück. Den Sonntagabend verbrachten er und Kellie normalerweise gemütlich auf dem Sofa, die Teile von Sunday Times und Mail on Sunday überall auf dem Teppich verstreut. Er selbst fing immer mit dem Wirtschaftsteil an, um nach finanzkräftigen Unternehmen zu suchen, denen er seine Produkte anbieten konnte. Kellie startete immer mit der You -Beilage.
Doch an diesem Abend schien es reine Zeitverschwendung, die Zeitung auch nur aufzuschlagen, denn ihm verschwamm alles vor den Augen. Tom fühlte sich schrecklich allein. Verloren und verängstigt.
Halb wahnsinnig vor Angst um Kellie.
Reginald D’Eath, der die CD-ROM im Zug vergessen hatte, war ermordet in seinem Haus aufgefunden worden. Im Bad erdrosselt.
Von wem?
Etwa von denselben Leuten, die gedroht hatten, Toms Familie zu töten?
In den Frühnachrichten hatte es geheißen, D’Eath, der seinen Namen in Ron Dawkins geändert hatte, habe einen Deal mit der Staatsanwaltschaft geschlossen und als Kronzeuge im bevorstehenden Prozess gegen einen Kinderschänderring aussagen wollen. Kamen die Mörder aus dieser Ecke? Oder hatten sich die Eltern eines missbrauchten Kindes gerächt?
Er verstieg sich in wilde Spekulationen. War es vielleicht die Strafe dafür, dass er die CD-ROM verloren hatte? Drohte ihm selbst und seiner Familie nun das gleiche Schicksal?
Tom sah auf die Uhr. Fünf nach halb zehn. Vor vierundzwanzig Stunden hatten sie noch im Salon von Philip Angelides Champagner getrunken. Kein toller Abend, aber immerhin das normale Leben. Und jetzt war er völlig ratlos. Wollte sich auf den morgigen Montag konzentrieren, konnte aber kaum ein paar Minuten in die Zukunft denken. Die Präsentation bei Land Rover konnte er unmöglich absagen, und wenn er einen seiner Verkäufer dafür abstellte, musste er ihm eine Provision zahlen, was seinen Gewinnanteil natürlich schmälerte. Aber das war jetzt seine geringste Sorge.
Plötzlich war er wütend auf Kellie. Sicher, es war irrational, aber er kam nicht dagegen an. Wie
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