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Stirb schön

Stirb schön

Titel: Stirb schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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tun.
    Bislang hatten er und sein Team noch jedem Computer seine Geheimnisse entlockt. Einbrecher, Betrüger, Autoknacker, Phisher, Pädophile – alle glaubten, sie könnten ihre Spuren auf der Festplatte verwischen, aber es gab keine Möglichkeit, eine Festplatte wirklich zu löschen. Jon Rye verfügte über Software, mit der er alle erdenklichen gelöschten Daten wiederherstellen und jeden digitalen Fußabdruck aus jedem Winkel eines Computersystems herausfiltern konnte, so kompliziert oder gut versteckt er auch sein mochte.
    In diesem Augenblick saß er an seinem Schreibtisch und würde gleich in die Seele eines Mannes namens Tom Bryce blicken. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das Wochenende durchzuarbeiten, weil der Mann ein potenzieller Zeuge war und seinen Laptop am Montag bei der Arbeit brauchte.
    Jon Rye prahlte zu Recht damit, dass er nach einer Stunde vor einem fremden PC mehr über den Besitzer wisse als dessen eigene Ehefrau. Denn die Computer, die er auf den Tisch bekam, gehörten in den allermeisten Fällen Männern.
    Die Abteilung Computerkriminalität befand sich im Erdgeschoss von Sussex House und unterschied sich auf den ersten Blick kaum von anderen Abteilungen. Es gab ein Großraumbüro mit zahlreichen Arbeitsplätzen; an manchen befanden sich große Server, auf anderen Tischen lagen die Eingeweide zerlegter Computer.
    An der Wand hing eine Uhr mit Bart Simpson, und an dem Tisch darunter saß Joe Moody, ein langer Typ mit Pferdeschwanz, der die Daten eines besonders blöden Haufens jugendlicher Vandalen registrierte, die sich dabei fotografiert hatten, wie sie einen gestohlenen Wagen abfackelten.
    Ein Teil des Raums war zu einer Art Käfig abgetrennt. Darin war die Soko Glasgow untergebracht, die seit zwei Jahren in Sachen Kinderpornographie ermittelte und kurz davor stand, einen der größten Ringe in ganz Europa zu sprengen. Vier Leute, die Rye nun wirklich nicht um ihre Aufgabe beneidete, saßen in dem Käfig und schauten sich seit vierundzwanzig Monaten tagein, tagaus widerliche Aufnahmen von sexuellen Handlungen an Kindern an.
    Auch Rye hatte oft mit Pädophilen zu tun, doch seinen Zorn hatte es nie gedämpft. Es gab wirklich kranke Hirne, und zwar viel zu viele.
    Die Jalousien waren heruntergelassen, um den Mitarbeitern die Aussicht auf den Zellenblock zu ersparen, der im Regen noch deprimierender aussah. Immerhin war die Temperatur heute einigermaßen erträglich; im Sommer war es meist heiß und stickig, weil sich die Fenster nicht öffnen ließen.
    Jon Rye war ein drahtiger Typ von achtunddreißig mit jugendlichem Boxergesicht, den es nicht weiter störte, dass er samstags arbeiten musste. Inzwischen war der freie Samstag zur Ausnahme geworden.
    Jon hatte sich immer für Technik und elektronisches Spielzeug interessiert. Als der Einsatz von Computern vor etwa zehn Jahren förmlich explodierte, hatte er bald begriffen, welche kriminellen Möglichkeiten sich dort boten und wie schlecht die Polizei damals für die kommende Computerkriminalität gerüstet war. Er beschloss, dass dies für ihn der aussichtsreichste Weg innerhalb der Polizei sei, der ihm auch beste Chancen im zivilen Leben bot.
    Er hatte es aufgegeben, seine Frau Nadine davon zu überzeugen, dass dieser verrückte Job nur vorübergehend sei, oder aber sie hatte es aufgegeben, ihm zuzuhören. Er warf einen Blick auf die anderen Mitglieder seines Teams und fragte sich, wer von ihnen wohl mit ähnlichen häuslichen Problemen zu kämpfen hatte.
    Sie waren schlicht und einfach überlastet und mit den Computeruntersuchungen neun Monate im Rückstand; wie üblich lag es am Personalmangel. Vermutlich kümmerten sich die hohen Tiere lieber darum, die Polizei in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Sie stellten Leute dafür ab, Einbrecher, Schläger und Drogenhändler zu fassen, was die Verbrechensstatistik aufpolierte, während seine Abteilung nach wie vor ein Schattendasein fristete.
    Einige Leute aus seinem Team waren echte Freaks, die man von außen geholt hatte – direkt von der Universität oder aus den IT-Abteilungen der Industrie und Kommunalverwaltung. Hinter ihm saß Andy Gidney, der größte Freak von allen.
    Er war achtundzwanzig und völlig durchgeknallt. Jämmerlich dünn, mit einem Teint, als hätte er noch nie einen Sonnenstrahl gesehen, einer Do-it-yourself-Frisur, Kleidung und Brille, die man selbst im Second-Hand-Laden kaum finden würde. Er war völlig antisozial und dennoch ein absolut brillanter Kopf, der

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