Stirb
einen Schlag lang aussetzte, als sie in die Tasche ihres Hosenrocks griff und die Reparaturliste herauszog, die Barbara Linz ihr nur wenige Stunden vor ihrem Tod ausgehändigt hatte.
Es bestand kein Zweifel – die Handschrift war identisch. Fassungslos sank Lara auf den Stuhl und spürte, wie sich ihr der Magen umdrehte.
Sie hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass es zwischen Frank und Barbara Linz eine Vertrautheit gab, die über das Berufliche hinausging. Doch schließlich hatte sie Frank vertraut und ihre Vermutungen als Hirngespinste abgetan. Hätte sie doch bloß auf ihre Intuition gehört!
Mit den Tränen kämpfend, griff sie zum Blackberry und wählte ein letztes Mal Franks Handynummer. Doch auch dieses Mal erreichte sie nur die mechanische Telefonansage. »Verdammt!«, brüllte sie und warf den Blackberry blindwütig gegen die Wand. Zu spät bemerkte sie, dass Emma in der Tür gestanden und sie mit traurigen Augen beobachtet hatte.
»Emma, ich …«, setzte Lara an, aber das Mädchen rannte verstört davon. Lara wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und wollte ihrer Tochter gerade hinterher, da hörte sie Emmas Zimmertür zuknallen.
Scheiße! Entkräftet lehnte Lara sich mit dem Rücken gegen die Wand und sank in die Hocke. Und während sie ihre Beine anzog und mit beiden Armen fest umschlang, brach sie in Tränen aus.
Lara wollte nicht glauben, was sie soeben entdeckt hatte , wollte einfach nicht wahrhaben, dass sie sich in Frank getäuscht haben sollte. Sicher hatte er seine Fehler, etwa seinen Hang zum Glücksspiel, der ihnen schon so manchen Streit eingebracht hatte – aber war er wirklich ein Fremdgeher?
Völlig aufgelöst stand sie auf und eilte aus dem Zimmer die Treppen hinunter, lief über den Hof zu Torbens VW-Bus und war einmal mehr froh, ihren alten Freund in ihrer Nähe zu wissen.
Sie musste sich schmerzlich eingestehen, dass nicht nur ihre Existenz auf dieser Insel, sondern womöglich auch ihre Beziehung mit Frank auf einer Lüge beruhte.
Sie musste mit Frank sprechen.
***
Dienstagmorgen, 24. Mai …
Lara zögerte. Ließ ihre Hand eine Weile auf dem Türgriff ruhen. Erst beim erneuten Surren der Türklingel gab sie sich einen Ruck und öffnete.
Im nächsten Moment schaute sie in die vertrauten Gesichter von Sylvia Hausmann und ihrem Kollegen Magnus Kern. Ihr Blick verharrte eine Sekunde lang auf den Beamten, bevor sie sagte: »Danke, dass Sie so schnell gekommen sind.«
Sie gab ihnen die Hand. Doch anders als sechs Jahre zuvor war es kein flüchtiges, unverbindliches Händeschütteln, dieses Mal drückte Lara fest zu, als wollte sie die Polizisten nicht mehr loslassen. »Am besten zeige ich Ihnen zuerst Ihre Zimmer, damit Sie Ihr Gepäck abladen können.« Sie folgten Lara über den Flur.
Die Hauptkommissarin Sylvia Hausmann hatte sich kaum verändert, nur die feinen Linien auf der Stirn und unter den Augen zeugten davon, dass die Zeit nicht stillgestanden hatte.
Magnus Kern hingegen – er trug noch immer Turnschuhe und hatte es inzwischen zum Kommissar gebracht – war deutlich gealtert. Tiefe Furchen durchzogen seine markanten Züge, seine damals noch blonden Haare waren mit den Jahren vollständig ergraut und schütterer geworden, so dass seine leicht abstehenden Ohren noch mehr zum Vorschein kamen. »Sagen Sie, wem gehört eigentlich der Bulli mit dem Berliner Kennzeichen vor der Einfahrt?«
»Ach der, der gehört Torben Landsberg«, erzählte Lara. »Ein alter Freund aus Berlin – Sie müssten ihn kennen, Torben ist Gerichtsmediziner an der Charité, außerdem war er damals mit auf dem Revier.«
Sie führte die Beamten durch den Flur.
»Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihre Zimmer.«
»Torben Landsberg?« Sichtlich irritiert blieb Kern kurz stehen. »Darf man fragen, wen Sie sonst noch alles zu unserer kleinen Party eingeladen haben?«
»Schon gut, ich weiß Bescheid«, schritt Sylvia Hausmann ein. »Frau Simons hatte ihn zuvor wegen dieser Baseballkappe angerufen.«
Kern machte ein grimmiges Gesicht.
»Na, herzlichen Dank! Da jetzt schon Außenstehende mit der Analyse der Beweisstücke betreut werden, dürfte unsere Arbeit hier ja bald beendet sein …« Er schüttelte den Kopf. »Und dann ausgerechnet der Landsberg – da kann sie ja gleich mit einem Schild durch Rügen laufen, auf dem ihre wahre Identität steht.«
Lara fragte sich, weshalb er über sie redete, als ob sie nicht anwesend wäre.
»Als Nächstes soll ich mit dieser Tucke wohl noch das
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